Balkan und Biomedizin? Serbische Software? Die Länder des südöstlichen Europas erwecken alles andere als Assoziationen mit einer blühenden Forschungslandschaft. Zu Recht, wie das Zentrum für Soziale Innovation (ZSI) nun durch eine Studie belegen konnte.

Die Untersuchung "Research and Development in South East Europe" im Auftrag der Gesellschaft für Förderung der Forschung (GFF) zog Vergleiche mit der EU. Hier werden im Durchschnitt 1,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung ausgegeben. Am Balkan nicht einmal die Hälfte. Am meisten investiert noch Kroatien mit 0,75 Prozent, es folgen Serbien-Montenegro (0,52 Prozent), Bulgarien (0,50 Prozent). In Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Albanien gibt es kaum Programme.

Ein Modernisierungsprozess finde zwar statt und die akademische Forschung könne inzwischen durchaus mit Mitteleuropa, z. B. mit Ungarn, verglichen werden. Aber es fehle das Bewusstsein, dass ein Innovationssystem mehr als akademische Forschung betreffen muss, so Studienleiter Klaus Schuch.

Forschungsförderungen kommen derzeit vor allem von staatlicher Seite. Eine Ausnahme bildet allein Rumänien, wo 40 Prozent der Forschungsausgaben aus der Wirtschaft kommen.

Aktionsplan

Die EU hat schon im Juni 2003 einen Aktionsplan festgeschrieben, der die Forschungszusammenarbeit mit den Ländern Südosteuropas fördern soll. Österreich ist wirtschaftlicher Hauptinvestor am Westbalkan und will die Weiterentwicklung dieser Kooperation während der EU-Ratspräsidentschaft als Schwerpunkt behandeln. Im Mai soll eine "Steering-Plattform" mit Büro in Wien eingesetzt werden, die diese Zusammenarbeit koordiniert und an das EU-Projekt South- east European Era-Net (SEE-Era.Net) anknüpft.

Anneliese Stoklaska vom Wissenschaftsministerium tourt derzeit durch die Hauptstädte der entsprechenden Länder: "Hauptziel ist die Anhebung der Forschungsstandards im Westbalkan und eine Heranführung an den europäischen Wissenschaftsraum." Bis dahin sei es aber noch ein weiter Weg. Grund? "In diesen Ländern sind unsere wissenschaftlichen Spielregeln meist völlig unbekannt." Universitäten seien häufig Spielball der Politik.

Bedarfsanalysen seien notwendig. Der Teufel steckt da oft im Detail: "Es genügt nicht, wenn ein amerikanischer Gönner hundert Kopierer kauft. Die Geräte müssen auch gewartet und Papier muss nachgekauft werden", sagt Stoklaska. Handlungsbedarf bestehe auch in Bezug auf die bestehenden Visa-Bestimmungen, die derzeit die Mobilität von Wissenschaftern und Studenten doch noch stark einschränken würden.

Barrieren

Barrieren, die in dieser Region natürlich Geschichte haben. Für die Geistes- und Sozialwissenschaften am Balkan war der Fall des Eisernen Vorhangs 1989 ein völliger Umbruch, für die Naturwissenschaften nicht. "Der Forschungsbetrieb war vor allem durch eine vollkommene Überalterung und marxistische Doktrin gekennzeichnet", meint Karl Kaser, Professor für Südosteuropäische Geschichte an der Universität Graz. "Dann gingen viele junge Studenten und Forscher ins Ausland und kamen mit neuen Ideen zurück. Inzwischen ist das Niveau wesentlich besser." Jetzt sei es wichtig, den Forschern internationale Kontakte zu ermöglichen und sie einzuladen. Nur so könnten sie sich weiterentwickeln.

Besteht die Gefahr eines geistigen Kolonialismus? "Unterstützung darf nicht mit Konditionen verknüpft werden, sie kann nur eine Starthilfe sein, dann muss man die Kollegen ihren eigenen Weg gehen lassen. Ganz loswerden wird man diesen kolonialen Beigeschmack nicht", räumt Kaser ein: "Aber was wäre die Alternative?" Momentan gibt es die wohl nicht, um die Balkanländer an den westeuropäischen Forschungsstandard heranzuführen. (Sabine Auckenthaler/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22. 3. 2006)