Bild nicht mehr verfügbar.

Formeln für die menschlichsten Sprachcodes werden allerorts gesucht.

Foto: APA/Collage Beigelbeck
Sprachcodes sollen die Mensch-Maschine-Kommunikation vereinfachen und aus einem Computer ein menschlicher reagierendes Gegenüber machen. Bei aller Begeisterung über diese Möglichkeiten darf man sich aber auch die Frage stellen, wie die Technik dabei den Menschen beeinflusst.

*****

Mein Freund arbeitet als Schnittstelle. Eigentlich ist er Wirtschaftsingenieur bei einem großen Automobilhersteller. Aber weil technisch inspirierte Menschen und wirtschaftlich denkende Zeitgenossen sich oftmals schwer tun, sich gegenseitig zu verstehen, sitzt er dazwischen. Er weiß, worüber "seine Ingenieure" klagen, und versteht die Entscheidungen des Managements - mal mehr, mal weniger. Mithilfe seiner Übersetzungen konstruieren seine Mitarbeiter wunderbare Gimmicks für des Industrienationen-Bewohners liebstes Spielzeug: Sie kombinieren Autoradios mit Navigationsgeräten und die wiederum mit Mobiltelefonen und deren Freisprechanlagen.

Inzwischen können Radios, Navis und Telefone miteinander kommunizieren - und mehr noch, Mensch kann sogar mit ihnen sprechen. "Michael", rief letztens mein Freund in das Mikrofon, das am Dach zwischen Fahrer und Beifahrersitz klebt. Das Mikrofon verstand ihn. Es löste gleich eine Kaskade an Reaktionen in den Tiefen des Elektronikuniversums aus.

"Das sind ebenfalls Schnittstellen", sagt Jürgen Falb von der Technischen Universität Wien. Gemeinsam mit fünf weiteren Wissenschaftern entwickelt er mit Unterstützung des FIT-IT-Programms ein System, dass Maschinen die menschlichen Bedürfnisse besser verstehen lässt. OntoUCP so der eher kryptische Name des System, das die Wiener in Zusammenarbeit mit Siemens programmieren. Es soll aber nicht nur die Kommunikation zwischen Mensch und der Technik erleichtern, sondern auch den maschinellen Informationsaustausch untereinander vereinheitlichen. Denn taucht man imaginär in die Welt hinter dem Mikrofon oder Bildschirm ein, landet man inmitten eines riesigen Marktplatzes. Da tauschen virtuelle Dienstleister untereinander Informationen aus, Agenten hasten im Auftrag von Programmen nach Informationen. Und wenn sie selbst nicht mehr weiterwissen, schalten sie einfach andere Agenten ein, an die sie Aufgaben übergeben. Sie vergessen nicht, woher sie ihre Auskunft haben. Und sie schauen sich um, sollten sie ihre Informationen nicht mehr dort vorfinden, wo sie einmal standen.

Ein neues Kapitel

In der Kommunikationstechnologie wird ein neues Kapitel aufgeschlagen. Darüber sind sich die Experten einig. Schnelle und drahtlose Verbindungen und die neuen Programmiertechnologien lassen neue Anwendungen zu. OntoUCP ist ein Ansatz, Computer menschlicher zu machen - "in dem sie nicht nur Wörter, sondern auch deren Bedeutung verstehen", so Falb. So soll das Mikrofon nicht nur auf Namenszuruf das Telefon zum Wählen veranlassen. "Künftig könnte es das verschwundene Handy in der Ritze vom Beifahrersitz wiederfinden", sagt er.

Es kann Aufträge sowie deren Bedeutung erkennen und deren Ausführung veranlassen. "Bei einer Internetsuche nach einem Buch weiß OntoUCP, welche Zahl der Buchpreis ist, erkennt die dazugehörige Rezension und kann noch Informationen über den Autor finden - und dem Leser als solche präsentieren", sagt Falb.

Das hört sich ganz fantastisch an. Doch stehen die Experten noch vor einer Menge ungelöster Probleme. Denn damit Kommunikationsprotokolle wie OntoUCP arbeiten können, müssen alle Beteiligten dieselbe Sprache sprechen. In allen Systemen müsste ein Buch auch eine Buch und mit der Unterkategorie Rezension verbunden sein. Im Moment ist die Kommunikation zwischen Maschinen aber vielfältig. "Große Anbieter wie Amazon und Ebay werden als erste solche Standards setzen können, weil jeder sie nutzt", sagt Falb.

In der Zwischenzeit sind Dienstleistungen wie die eines Wrappers gefragt. "Wrapper sind Übersetzer", erklärt Robert Baumgartner von der Firma Lixto. Sie lösen genau solche Probleme, an denen neue Kommunikationsprobleme bislang noch scheitern. "Sie flitzen durch Webseiten aus unterschiedlichsten Formaten, filtern die gefragten Informationen dort heraus und bieten sie dem Suchenden in einer nutzerfreundlichen Version an", erklärt Baumgartner. So fahnden die Wrapper von Lixto im Auftrag eines Reifenherstellers (ebenfalls ein FIT-IT-Projekt) sämtliche Angebote eigener und fremder Produkte ab, wandeln sie in ein datenbankgerechtes Format um, damit anschließend das Programm eine tagesaktuelle Marktanalyse erstellen kann.

Virtuelle Parallelwelt

"Im Prinzip existiert im virtuellen Raum eine Parallelwelt, die genauso funktioniert wie die Gesellschaft", erklärt der Wissenschafter Manfred Tscheligi (Interview), Leiter des Forschungszentrums Cure und Professor für Human Computer Interaction in Salzburg. Ein Anbieter handele mit Informationen, Wissen oder Produkten, Dienstleister würden dem Auftraggeber das Günstigste heraussuchen und ihre Auskünfte individuell zusammenstellen. Und weil die Welten nach ähnlichen Anforderungen arbeiten, gleichen sie sich zunehmend aneinander an. Je mehr Menschen an Maschinen arbeiten, umso menschlicher wird auch die Maschine. "Der Mensch erwartet von einer Maschine dasselbe Verhalten wie von einem anderen Gesprächspartner, und die Maschinen benötigen die Information von Menschen oder anderen Maschinen", sagt Tscheligi.

Hat sich der Mensch durch die Technik verändert? "Ja", meint Tscheligi, er sei ungeduldiger geworden. Vielleicht ist ein Wrapper auch kein übles Modell für das Zwischenmenschlich-Maschinelle - schließlich gehört er zur Mediation-Technology. Das kannte man bisher nur aus der Psychologie. Dann aber könnte er auch den Job meines Freundes übernehmen.(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.3.2006)