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Grundsätzlich hat die Slowakei die richtige Richtung genommen. Zur Veränderung dieser Richtung kommt es auch nach den Neuwahlen nicht ist Ivan Gašparovič überzeugt.

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Regina Bruckner traf den slowakischen Präsidenten Ivan Gašparovič in Bratislava und sprach mit ihm über die Sorge der Investoren angesichts des Koalitionsbruchs und der bevorstehenden Neuwahlen, mögliche Aussichten auf weitere Privatisierung, Diskriminierung am EU-Arbeitsmarkt und die Wahlmüdigkeit in der Slowakei.

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derStandard.at: Herr Präsident, wie lautet Ihre Kurzfassung der Regierungskrise?

Ivan Gašparovič: Ich würde das nicht unbedingt als Krise bezeichnen. Die Krise war im vergangenen September. Danach haben sich die Parteien neu orientiert. Die politischen Parteien – es sind 21 - mussten bis Montagnacht um zwölf Uhr ihre Kandidatenliste vorlegen, und sie mussten wirklich schnell arbeiten. Die Krise hat sich einigermaßen geklärt, denn die Opposition und die Regierungsparteien haben eine Lösung gefunden. Die Regierung hat der Forderung der Oppositionsparteien nachgegeben die Privatisierung derzeit nicht voranzutreiben und die Opposition toleriert diese Regierung bis zu den Neuwahlen.

derStandard.at: Die Slowakei hatte 2004 bei der EU-Wahl einen Negativrekord erzielt. Die Wahlbeteiligung lag bei 16,9 Prozent. Bei den vergangenen Regionalwahlen Anfang des Winters lag die Wahlbeteiligung ebenfalls unter 20 Prozent. Wie erklärt sich das?

Gašparovič: Die Slowakei ist nach dem Beitritt zur Nato und zur EU mit fundamentalen Wirtschaftsreformen, Schulreform und Gesundheitsreform angetreten. Diese Reformen hängen nicht nur mit dem Beitritt zu Nato und EU zusammen, sondern auch mit der Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt. Die größte Last tragen die Slowaken und Slowakinnen. Für sie sind die Reformen schmerzhaft. Nach der Euphorie in Folge der Revolution 1989 hat sich gezeigt, dass der Weg zum Erfolg hart ist. Die Hoffnung auf einen schnellen Erfolg hat sich nicht verwirklicht. Und die Versprechungen der politischen Parteien haben sich nicht verwirklicht. Die Bürger und Bürgerinnen verlieren damit ihr Vertrauen in die Politik.

derStandard.at: In den Augen vieler Investoren kommen die Neuwahlen zu einem recht ungünstigen Zeitpunkt. Die reformorientierte Koalition hat den Verkauf etlicher großer Unternehmen nicht abgeschlossen. Wie ist Ihre Einschätzung?

Gašparovič: Nach den Umfragen ist Smer klar die stärkste Partei. Smer will den linken Flügel abdecken. In der Partei laufen Korrekturen, etwa im Bereich Gesundheits- und Sozialpolitik. Grundsätzlich hat die Slowakei die richtige Richtung genommen. Zur Veränderung dieser Richtung kommt es nicht, das erlaube ich mir zu behaupten. Jede Partei ist sich bewusst, dass große Erfolge erreicht wurden.

derStandard.at: Dennoch kursieren Berichte, wonach Grundstücke nicht mehr verkauft werden und es gibt die Sorge, dass Privatisierungen – nach den Aussagen von Smer-Chef Robert Fico zu urteilen – gestoppt werden könnten. Nichts als Wahlkampfgetöse?

Gašparovič: Was Fico sagt, klingt radikal. Aber der Reformweg, der bisher eingeschlagen wurde, ist nicht mehr rückgängig zu machen. Und die Kontinuität wird erhalten. Die nächste Regierung wird nicht rechts oder links orientiert sein, denn Fico kann nicht alleine regieren. Die Privatisierung wurde nicht gestoppt, sondern unterbrochen, nach den Wahlen wird es weitergehen. Auch Fico wird sie fortsetzen - nach Regeln, die günstig sind für die Slowakei.

derStandard.at: Was würde unter Ficos Ägide anders werden?

Gašparovič: Wenn Fico etwas revidieren möchte, dann sind das innerslowakische Angelegenheiten wie Gesundheitssystem und Sozialangelegenheiten. Denn es hat sich gezeigt, dass 70 Prozent der Bevölkerung nicht einverstanden sind mit den Gesundheitsreformen, und Experten sind der Ansicht, dass die Reform ein Chaos angerichtet hat. Auch die Initiatoren glauben, dass es eine Reform der Reform geben müsse.

derStandard.at: Wann, glauben Sie, ist das Übergangsfristen-Problem erledigt? Wie sehen Sie die Übergangsfristen am Arbeitsmarkt und die Dienstleistungsrichtlinie?

Gašparovič: Die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten hat schon realisiert, dass die Grenze auch für Arbeitskräfte geöffnet werden muss. Vor allem die Arbeitgeber in den EU-Staaten begreifen, wie wichtig es ist, dass der Arbeitsmarkt frei ist. In der Slowakei etwa sind viele kleine Unternehmen entstanden. In der Slowakei sehen wir das so, dass das kein wirtschaftliches Problem ist, sondern ein politisches. Wir empfinden die Beschränkungen als Diskriminierung. Die Dienstleistungsrichtlinie behindert die Zirkulation. Dass es eine Entscheidung gegeben hat sehen wir positiv, weniger positiv sind die vielen Bedingungen die daran geknüpft wurden.

derStandard.at: Wie beurteilen Sie die Haltung Österreichs in diesem Zusammenhang?

Gašparovič: Von Österreich wurden Pro und Contra abgewogen. Österreich wird sich früher oder später den Ländern anschließen, die sich schon geöffnet haben. In der Informationstechnologie oder im Gesundheitsbereich zum Beispiel werden junge Leute gebraucht. Jene, die jetzt in Österreich arbeiten könnten, sind in Irland oder in Großbritannien. (Regina Bruckner)


Ivan Gašparoviè ist der 3. Staatspräsident der Slowakei und seit April 2004 im Amt

Der studierte Jurist Gašparoviè dozierte an der Comenius-Universität in Bratislava von 1968-90. Von Juli 1990 bis März 1992 war er Generalstaatsanwalt der ÈSFR, seit 1992 führendes Mitglied der Partei von Vladimír Meèiar und von 1992 bis 1998 Parlamentspräsident.

Gašparoviè gewann die Stichwahl zum Präsidentenamt der Slowakei vom 17.4.2004. Er galt lange Zeit als engster Vertrauter Vladimír Meèiars. Als er im Juli 2002 nicht mehr für die Parlamentswahlen aufgestellt werden sollte, verließ er die HZDS und gründete die "Bewegung für Demokratie" (HZD). Die neu gegründete HZD lag zwar in den Umfragen anfangs über 5 Prozent, scheiterte aber bei den Wahlen an dieser Hürde (mit 3,28 Prozent) und zog nicht ins Parlament ein.