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Woran es bei der niedrigen Geburtenrate wirklich hapert, müsste neu untersucht werden.
Foto: AP/MATTHIAS RIETSCHEL
Wien - Dass es unserer Gesellschaft an Kindern fehlt, darin sind sich alle einig. Doch wie man den potenziellen Eltern wieder Lust aufs Kind machen kann, daran scheiden sich die Geister. "Patentrezept gibt es keines", weiß Rudolf Karl Schipfer vom Institut für Familienforschung (ÖIF). Ebenso wenig gibt es aber auch eine aktuelle, wissenschaftliche Erhebung, woran es hapert.

Mit Hilfe einer "Status Quo"-Analyse könnte man Tacheles reden, ist Schipfer überzeugt - und es ließen sich punktgenaue Maßnahmen abseits jeder Ideologie oder parteipolitischer Polemik setzen. Zwar wurde Ende der neunziger Jahre zu Zeiten der Großen Koalition bei einer Regierungsklausur eine solche Studie angekündigt, aber nie in Auftrag gegeben. Die letzte diesbezügliche Arbeit stammt laut ÖIF von 1996 und ist somit alles andere als aktuell.

14,6 Prozent aller Frauen über 40 kinderlos

Aber auch so lässt sich sagen, dass es eine Vielzahl von Gründen gibt, warum laut Mikrozensus (2001) 14,6 Prozent aller Frauen über 40 kinderlos sind, während ihre jüngeren Geschlechtsgenossinnen der Idee eigener Sprösslinge noch weit weniger ablehnend gegenüberstehen: Beziehungen sind heute etwa viel brüchiger als früher und viele finden gar nicht den "Mr. Right", bevor ihre biologische Uhr abgelaufen ist.

Das Fenster der möglichen Reproduktion wird ja ohnehin immer kleiner: Die Ausbildung dauert länger und man/frau will sich zumeist erst die Existenz absichern. Dazu kommt, dass sich die gewünschte Anzahl von Kindern an die Realität angepasst hat. Waren früher drei Kinder geplant, wurden es oft zwei. Heute wünschen sich viele nur mehr eines - und dabei bleibt es dann auch.

Problem Pensionen

Für viele Frauen ist auch entscheidend, dass viele Sprösslinge geringere Erwerbstätigkeit und später eine niedrige Pension bedeuten. Wer diese später einmal bezahlen soll, wird oft nicht bedacht. Dagegen gibt es manche Familien, die so gut verdienen, dass sie sich Au Pair, Putzfrau und das Haus im Grünen leisten, um eine größere Zahl von Kindern mit allem drum und dran aufzuziehen. In niederen sozialen Schichten ist man laut Schipfer oft nicht so anspruchsvoll und sieht das Kindergeld als willkommene finanzielle Absicherung - während der Mittelstand eben dazwischen steht, auf Nachwuchs verzichtet oder sich auf ein Baby beschränkt.

"Die Krise kommt auf uns zu"

"Die Krise kommt auf uns zu - und man muss sich darauf einstellen", so Rudolf Karl Schipfer vom Institut für Familienforschung. Die Pensionshöhe unserer Großeltern und Eltern werden wir nicht erreichen und müssten daher soweit möglich privat vorsorgen. Noch schlimmer könnte es unserem Gesundheitssystem ergehen. Sind angesichts einer auf den Kopf gestellten Alterspyramide alle Leistungen für alle zu finanzieren? "Wohin das führen wird, traut sich keiner zu sagen."

Und auch wer denkt, dass sich nun der Arbeitsmarkt entspannen wird, könnte auf dem völlig falschen Dampfer sein. Nicht nur dass immer mehr Produktionen ausgelagert werden, hat die demographische Entwicklung laut Schipfer dramatische Auswirkungen auf die wirtschaftliche Dynamik: Der Pool an innovativen, dynamischen Personen, die sich besonders engagieren und etwa den Schritt in die Selbstständigkeit wagen, geht zurück. Firmen könnten angesichts dessen lieber gleich woanders investieren. "Ich glaube, dass da einiges auf uns zukommt."

Zuwanderung kein Allheilmittel

Durch Zuwanderung ließe sich rein zahlenmäßig einiges auffangen - aber als Allheilmittel würde es unserem Gesellschaftssystem nicht gut tun, sagte Schipfer. Neben kulturellen Konflikten und dem Integrationsproblem saugt man wie ein Schwamm jene dynamischen Leute auf, die woanders ausgebildet wurden und dann dort fehlen.

Kann es sein, dass die große Umbesinnung kommt? Zumindest in der Politik ist es wohl so weit. "Die kennen die Zahlen besser als jeder andere - und es ist ein sehr brennendes Problem." Doch der demographische Zug scheint abgefahren - selbst ein totaler Babyboom würde erst in 20, 30 Jahren schlagend werden.

Mut machen

Gegensteuern ließe sich etwa dadurch, dass man den Menschen das Gefühl gibt, dass es ihnen gut geht und man hier gut mit seinem Nachwuchs leben kann. Da sei auf Ebene der Gemeinden im Kampf gegen die Abwanderung schon viel in Sachen Kinderfreundlichkeit geschehen. Auch die Medien müssten Mut zum Sprössling machen - etwa indem Fälle in den Vordergrund gestellt werden, in denen es funktioniert - und nicht nur erfolgreiche, aber kinderlose Frauen zeigen und dadurch suggerieren, dass man mit Nachwuchs möglicherweise Schwierigkeiten hat.

Auch da Akademikerinnen überproportional oft keine Kinder in die Welt setzen, sollte man Möglichkeiten schaffen, dies schon während des Studiums zu tun. Hier seien eben auch die Männer gefragt. Sie sollten mehr Partnerschaftlichkeit zeigen und so ein positives Rollenbild schaffen.

Partnerschaft

Ein Gedankenspiel Schipfers zielt darauf ab, dass Probleme in der Partnerschaft nicht quasi automatisch in einer Scheidung münden. Hier sollte versucht werden, einen gemeinsamen Weg zu finden und dabei auch Hilfe von außen, etwa durch eine Eheberatung, anzunehmen. "Da ist viel zu wenig darüber bekannt und es ist mit einem Makel behaftet, während die Scheidung gesellschaftlich akzeptiert ist."

Bei der Kinderbetreuung gäbe es sicher auch zusätzlichen Bedarf - quantitativ, aber auch qualitativ. Vermehrt gefragt seien zudem individuelle Lösungen, etwa für Tagesrandlagen oder am Wochenende, das für immer mehr Menschen nicht völlig arbeitsfrei ist. Bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf - einem ideologisch sehr befrachteten Terrain - bestünden sehr unterschiedliche Bedingungen und Lebenssituationen. (APA)