Wien – Ein Beitrag von zwei prominenten US-Politologen schlägt hohe Wellen: Unter dem Titel "The Israel Lobby" argumentieren John Mearsheimer von der Universität of Chicago und Steven Walt, Dean der Kennedy School of Government in Harvard, in der aktuellen Ausgabe der "London Review of Books", dass Amerikas Außenpolitik mehr den nationalen Interessen Israels als denen der USA dient.

Mearsheimer und Walt machen dafür eine Allianz aus jüdischen Interessengruppen, vor allem das American-Israel Public Affairs Committee (AIPAC), jüdischen Experten und Geldgebern sowie den "christlichen Zionisten" unter den Republikanern verantwortlich. Neben der einseitigen Parteinahme der USA für Israel sehen die Autoren die Handschrift der "Israel-Lobby" beim Einmarsch im Irak und den Kriegsplänen gegen das iranische Atomprogramm, das laut Mearsheimer und Walt Israel mehr bedroht als die USA. Israel-Kritikern werde sofort Antisemitismus vorgeworfen, beklagen sie.

Diese Argumente sind nicht neu, allerdings wurden sie in den USA noch nie von so prominenter Seite geäußert. Kritiker werfen Mearsheimer und Walt eine karikierende Darstellung der Lobbygruppen und fehlendes Verständnis für den Interessensgleichklang zwischen Israel und den USA vor; sie warnen, dass der Artikel antisemitischen Vorurteilen Vorschub leiste. Tatsächlich findet er sich bereits auf islamischen und rechtsextremen Webseiten wieder. (ef/DER STANDARD, Printausgabe, 21.3.2006)