Menschenhandel existiert, vor allem Frauen und Kinder sind betroffen. Wie groß das Problem in Europa aber ist, konnte bei einer OSZE-Konferenz am Freitag nicht geklärt werden. Unabhängige Berichterstatter sollen Licht ins Datendunkel bringen.

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Wien - Minderjährige Bulgarinnen, die zu Straßenräuberinnen ausgebildet werden. Junge Frauen aus Nigeria, die scheinbar günstig nach Österreich reisen können und hier plötzlich 30.000 Euro Schulden als Prostituierte abarbeiten müssen. Wie Sklaven gehaltene Hausangestellte aus Asien oder Südamerika in Diplomatenwohnungen. Menschenhandel blüht auch im Europa des 21. Jahrhunderts. Wie groß das Problem eigentlich ist, weiß aber niemand, zeigte sich am Freitag bei einer OSZE-Konferenz in Wien.

Schätzungen gibt es viele: Zwei Millionen Kinder sollen jedes Jahr weltweit gehandelt werden, berichtet OSZE-Sonderbeauftragte Helga Konrad. Und 3000 bis 4000 organisierte Banden seien laut Europol allein in der "alten" EU-15 mit Menschenhandel beschäftigt. Der jüngste Bericht der europäischen Polizei zum Thema geht tatsächlich von "hunderttausenden" Opfern innerhalb Europas aus. Der Profit des Menschenhandels übersteige teilweise den des Waffenhandels, sekundierte EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner bei einer Pressekonferenz.

Was bedeuten würde, dass die Polizeibehörden in den einzelnen Staaten fast untätig oder völlig unfähig sind. Denn in deren Statistiken scheint das Problem zwar auf, aber in bedeutend geringerem Ausmaß. In Österreich wurden im Vorjahr 92 Fälle von Menschenhandel aufgedeckt, im Jahr 2004 waren es noch 238. "Im Schnitt bewegen wir uns zwischen 100 bis 300 Delikten jährlich", rechnet Andreas Pilsl, Kabinettsmitarbeiter von Innenministerin Liese Prokop (VP) vor. Hochgerechnet auf die gesamte EU mit 457 Millionen Einwohnern käme man bei einem Schnitt von 150 Fällen in Österreich damit lediglich auf knapp 8400 Delikte.

Ausbeutung im Westen

Ähnlich die Situation in Ungarn. 28 Opfer von Menschenhandel wurden dort im vergangenen Jahr von der Exekutive entdeckt, 22 davon waren Frauen. Allerdings sind diese niedrigen Ziffern zu relativieren: Ungarn gilt vornehmlich als Transitland, die für die Polizei klar ermittelbare Ausbeutung der Opfer beginnt meist erst in Westeuropa.

Einig sind sich alle staatlichen und nichtstaatlichen Stellen in jedem Fall, dass nur internationale Zusammenarbeit helfen kann. OSZE- Sonderbeauftragte Konrad wünscht sich sowohl in den einzelnen Ländern als auch bei der EU eigene unabhängige "Rapporteure", die Daten erheben sollen.

Auf polizeilicher Ebene verweist Innenministerin Prokop auf verstärkte Ausbildungsmaßnahmen. Ein eigenes Handbuch für Exekutivbeamte im Kampf gegen den Kinderhandel mit internationalen Standards wurde ausgearbeitet. Und drei Tage lang wurden 100 Exekutivbeamte aus 39 Staaten in Wien anhand dieses Buches geschult. (Michael Möseneder/DER STANDARD, Printausgabe, 18./19.3.2006)