Minsk - Die belarussische Führung um Staatschef Alexander Lukaschenko hat die Opposition mit weiteren massiven Drohungen vor Protestkundgebungen bei der Präsidentenwahl am Sonntag gewarnt. "Wer als Vertreter der Opposition am 19. März seine "demokratische Empörung" auf dem Platz äußern will, wird von der Polizei mit dem Gesicht auf den Asphalt gezwungen", kündigte der Leiter der Einsatzpolizei, Juri Podobed, in einem am Freitag in Minsk veröffentlichten Interview an. Auch einem deutschen Wahlbeobachter wurde die Einreise in die ehemalige Sowjetrepublik verweigert.

Keine Einreise für "der letzte Diktator Europas"

Der Belarus-Experten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Georg Schirmbeck, teilte nach einen Bericht der "Neuen Osnabrücker Zeitung" mit, dass die belarussischen Behörden ihm die Akkreditierung entzogen hätten. "Lukaschenko lässt die Reihen der Wahlbeobachter systematisch säubern", sagte Schirmbeck, der als offizieller Vertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die Wahlen beobachten sollte. Nach Einschätzung Schirmbecks wiesen ihn die belarussischen Behörden ab, weil er in einem Interview Lukaschenko als "den letzten Diktator Europas" bezeichnet hatte. Auch mehrere OSZE-Wahlbeobachter aus Polen und Litauen durften nicht nach Weißrussland einreisen. Auch neun georgische Abgeordnete, die als OSZE-Beobachter nach Belarus kommen wollten, wurden festgesetzt und ausgewiesen.

Der dänische Wahlbeobachter Jens-Kristina Lütken ging von einer massiven Fälschung der Wahl aus. "Staatschef Lukaschenko kündigt ja jetzt schon an, mehr als 75 Prozent der Stimmen zu erhalten", so Lütken. Er hatte bereits 2004 die Parlamentswahlen und ein Referendum in Minsk beobachtet. Damals seien beispielsweise Kartons mit manipulierten Wahlzetteln entdeckt worden. "Und auch diesmal müssen viele Studenten und Staatsbedienstete schon vor dem Sonntag ihre Stimmen abgeben - damit macht sich das Regime die Fälschungen einfacher", meinte Lütken, der am Mittwoch gemeinsam mit sieben anderen Dänen aus Belarus ausgewiesen wurde.

Präsident: Gegner haben kein Programm

Der seit 1994 regierende Präsident Lukaschenko rechnet nach eigenen Angaben mit einem deutlichen Sieg. Seine Gegner hätten kein eigenes Programm. "Man hört nur: Lukaschenko ist ein Fiesling, Lukaschenko ist ein Idiot, mehr wissen sie nicht zu sagen", sagte der autoritäre Staatschef bei einem Wahlkampfauftritt nahe Minsk.

Oppositionschef ruft zu friedlichen Demos auf

Der Oppositionskandidat Alexander Milinkewitsch rief seine Anhänger dazu auf, nach Schließung der Wahllokale am Sonntagabend "friedlich gegen Fälschungen, Angst und Erniedrigungen" auf die Straße zu gehen. Der Leiter des Geheimdienstes KGB, Stepan Sucharenko, hatte am Vortag angekündigt, alle Bürger als Terroristen zu verfolgen, die auf Kundgebungen "die öffentliche Ordnung" störten.

Die US-Regierung und die Europäische Union verfolgen die Entwicklung vor der weißrussischen Präsidentenwahl mit Besorgnis. Als Reaktion auf die Festnahme von Oppositionspolitikern kurz vor der Wahl hatte EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner der Regierung in Minsk mit verschärften Sanktionen gedroht.

Die belarussische Polizei beschlagnahmte am Freitag 200.000 Exemplare der unabhängigen Zeitung "Towarischtsch" (Kamerad), die von der oppositionellen Kommunistischen Partei von Belarus herausgegeben wird. Die Zeitung rufe zur "Teilnahme an verbotenen Kundgebungen" auf, lautete die Begründung des Sicherheitsapparates. Auch andere Zeitungen waren im Wahlkampf konfisziert worden.

Havel, Walesa und Saakaschwili fordern Eingreifen der EU

Die früheren Präsidenten von Tschechien und Polen, Vaclav Havel und Lech Walesa, riefen die internationale Staatengemeinschaft zur Unterstützung von Milinkewitsch auf. Er solle als demokratischer Vertreter seines Landes akzeptiert werden, schrieben die ehemaligen Staatsoberhäupter am Freitag in Beiträgen für tschechische und polnische Zeitungen. Darin appellierten Havel und Walesa an die EU, die Bürgergesellschaft in Belarus stärker zu unterstützen. Umso schneller werde das undemokratische Regime in Minsk zusammenbrechen. "Das könnte so schnell gehen wie einst beim kommunistischen Regime. Je stärker die Opposition sein wird, umso weniger schmerzvoll wird der Übergang zur Demokratie und der soziale Wandel werden." Der georgische Präsident Michail Saakaschwili forderte in einem Beitrag für die "International Herald Tribune" die EU zu strikten wirtschaftlichen und politischen Sanktionen gegen die belarussische Regierung auf. (APA/dpa/Reuters)