Die Diskussion, ob man sich als biodynamisch arbeitender Weinbaubetrieb auch zertifizieren lassen soll, geistert derzeit durch die Biodynamik-Szene. Zertifizieren bedeutet generell, dass man einem der Bio-Verbände beitritt, die – unangekündigt - Kontrollen am Hof durchführen, und nach einer Übergangsphase, bescheinigt bekommt, nach den Richtlinien dieses Verbandes zu arbeiten. Man erhält dadurch das Recht, das jeweilige Logo am Etikett zu führen und als kontrollierter Betrieb bezeichnet zu werden. Den Bio-Verbänden, die für jegliche Form der agrarischen Produktion so auch für das Nischenprodukt Wein zuständig sind, sind nicht zertifizierte, aber biologisch arbeitende Weingüter ein Dorn im Auge: aus dem verständlichen Grund, dass wenn Rückstände in Weinen aus Betrieben nachgewiesen werden, die Verbände und die gesamte Bio-Schiene - auch die der derzeit sehr boomenden und lukrativen Lebensmittel - in Verruf kommen könnten. Nicht einmal Lebensmittel-Diskonter wie Aldi & Co kommen mittlerweile ohne eigene Bio-Linie aus, deren Produkte selbstverständlich auch etwas mehr kosten.

Wem nützt die Zertifizierung? Vor allem dem Konsumenten, so wird beim Biodynamiker-Verband Demeter argumentiert, der dann weiß, womit er es zu tun hat. Das stimmt zwar für Lebensmittel, für Wein aber nur zum Teil: Zwar weiß der Konsument, dass bei Düngung und Pflanzenschutz ausschließlich natürliche Mittel zum Einsatz kommen, zu denen übrigens auch Schwefel und Kupfer zählen. Was im Weinkeller passiert, welche Technologien, Hefen, Verfahren etc. verwendet, welche – chemischen oder physikalischen – Maßnahmen ergriffen werden dürfen, ist aber derzeit noch völlig offen, da es diesbezüglich keine Richtlinien gibt. Den Weinbauern nützt die Zertifizierung weniger, so die Argumente der anderen Seite: Die Wahl der Mittel, die auch nicht immer High-Tech und Chemie sind, auch wenn dies nicht ungern so dargestellt wird, ist eingeschränkt.

Was bringt nun die biologische Arbeitsweise für einen Weinbaubetrieb? Jedenfalls eine Verbesserung der teilweise stark belasteten Böden, d.h. im Endeffekt ein besseres und nachhaltigeres Funktionieren der Grundlagen für die Herstellung von Wein. Ebenfalls gesichert ist, dass es einiges Mehr an Arbeitsaufwand vor allem im Weingarten bedeutet.

Erfreulich ist einmal grundsätzlich, dass sich immer mehr Winzer für die Arbeitsweise ohne Chemie und synthetische Hilfsmittel interessieren. Ein Interesse, das derzeit sehr öffentlich wird und nicht heißt, dass nicht bereits einige Betriebe seit längerem Arbeitsweisen anwenden, bei denen der Einsatz von Chemie & Co auf ein Minimum beschränkt ist bzw. gar nicht stattfindet. Es ist aber auch verständlich, dass sich für viele Weinbauern, die gerade dabei sind, sich mit den Arbeitsweisen von biologisch-organischem oder biodynamischem Weinbau vertraut zu machen, die Frage der formellen Zertifizierung erst in zweiter Linie stellt. Keiner der Winzer, die sich aktuell für biodynamische Arbeitsweisen interessieren, hat einer Zertifizierung für immer und ewig ausgeschlossen. Und das Argument, dass man sich in der Wahl seiner Arbeitsweisen nicht einschränken lassen möchte, ist angesichts – derzeit noch - fehlender Richtlinien für biodynamischen Weinbau z.B. mehr als verständlich.

Was in der ganzen Debatte meiner Meinung nach nicht zieht, ist das Argument, dass dieses Interesse an biodynamischen Weinbau ein reiner Marketinggag sei. Denn der Boom, der für Lebensmittel derzeit sehr stark ist, ist nicht eins zu eins auf Wein umlegbar. Während der Nutzen von biologisch gezogenen Karotten und artgerecht gehaltenen Tieren rein geschmacklich ganz einfach nachvollziehbar und auch dem guten Gewissen der Konsumenten förderlich ist, trifft das auf Wein leider nicht immer zu. Die Qualitätsbandbreite ist ebenso wie beim konventionellen Weinbau groß. Und zu viele nicht einwandfreie, ergo nicht schmeckende Weine wurden in der Vergangenheit mit Bio-Argumenten verkauft. Wenn nun also ein Winzer ein Bio-Logo am Etikett hat, ist das für die meisten Weinfans bestensfalls ein Grund es „Aha“ zur Kenntnis zu nehmen und nicht, um freudig zuzugreifen, wie es derzeit bei Lebensmittel der Fall ist.

Als Marketing-Argument ist ein Bio-Etikett beim Wein also nicht tauglich. Und die Subventionen für biologisch arbeitende Betriebe gibt es auch nur, wenn man kontrolliert biologisch arbeitet, ergo zertifiziert ist. Angesichts des Mehr an Arbeit zieht also keines der oft gehörte Skeptiker-Argumente.

Kaum ein Betrieb vergisst auf seiner Homepage zu erwähnen, dass er „naturnah“ arbeitet. Was mit biodynamisch oder auch biologisch-organisch so gut wie nichts zu tun hat. Was spricht also dagegen, einfach freudig zu akzeptieren, dass sich derzeit viele Betriebe mit Arbeitsmethoden befassen, die tatsächlich natürlich im Sinne des Wortes sind. Und abzuwarten, wie sich die Dinge – vorerst einmal zertifiziert oder nicht, und derzeit vor allem noch ohne Richtlinien – weiterentwickeln, bevor Teufel an die Wand gemalt werden.