Aufnahmestation in der Schubhaft: Auch das Sozialamt soll zur Abschiebepraxis beitragen, kritisieren die Grünen

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Wien – Der Nigerianer Sami U. war vom Fonds Soziales Wien „eingeladen“ worden, um abzuklären, ob er weiter Anspruch auf Grundversorgung als Flüchtling habe oder nicht. Doch als der junge Mann, mit dem Brief in der Hand, am 6. Dezember 2005 die Beschwerdestelle des Fonds Am Modenapark betrat, wartete statt der Sozialbeamten ein Zugriffsteam der Wega auf ihn – samt Handfesseln und Abschiebungsbescheid der Fremdenpolizei.

"Falle"

Seitdem sitzt der 19-Jährige – ein abgewiesener Asylwerber, der 2005 wegen eines Drogendelikts verurteilt worden ist – in Wien in Schubhaft, und sein Anwalt Wilfried Embacher prangert die Einladung als „Falle“ an. Der Rückhalt sei über Monate hinweg vorbereitet worden, wobei hier der Fonds – in Wien Träger der Flüchtlingsversorgung – „der Fremdenpolizei bei der Festnahme geholfen hat, obwohl das nicht seine Aufgabe ist“.

Die Dokumentation dieser Zusammenarbeit liegt dem Standard vor: Am 17. Juni 2005 teilte der Fonds dem Fremdenpolizeilichen Büro Wien „vereinbarungsgemäß . . . mit, . . . dass U. sich in Wien in Grundversorgung befindet“ – und bat „um entsprechende Rückmeldung“. „Offenbar existieren einschlägige Vereinbarungen zwischen Fonds und Fremdenpolizei“, schließt daraus Wiens Grünen- Integrationssprecherin Alev Korun.

Die schriftliche Reaktion kam am 16. Juli 2005: Die Fremdenpolizei ersuchte den Fonds „um Bekanntgabe des nächsten Vorsprachetermins“ von U.. Der wurde den Polizisten nach der Sommerpause ganz offensichtlich auch genannt: Zwei Wochen vor dem Festnahmetermin, am 25. November, schickte die Fremdenbehörde dem Nigerianer den Abschiebe-Bescheid zu. Adresse: Am Modenapark. Ungefähr zur gleichen Zeit ging auch die Einladung des Fonds an ihn ab.

"Symptomatisch"

„Für andere Grundversorgte ist ein solches Zusammenspiel wenig vertrauensfördernd“, kommentiert dies Anwalt Embacher. Der Fall U. sei „symptomatisch für die zunehmende Verpolizeilichung des Asylverfahrens“, ergänzt Korun – zumal dieser Fall nach der bis Ende 2005 geltenden Gesetzeslage abgewickelt worden sei, die weniger streng war als die jetzige.

Beim Fonds Soziales Wien heißt es hingegen, dass man „im Amtshilfeverfahren und im Rahmen der Bund-Ländervereinbarung über die Flüchtlingsversorgung zu solchen Hilfestellungen verpflichtet“ sei. Insgesamt habe es bisher rund zehn derartige Kooperationen gegeben, die allesamt „Personen ohne echte Wohnadresse“ betroffen hätten. Wer unter Aufenthaltsverbot stehe dürfe nicht mehr grundversorgt werden, sagt auch der Chef der Wiener Fremdenpolizei, Willfried Kovarnik, – „und eine Festnahme beim Fonds schürt weniger Misstrauen, als wenn sie in einem Heim passiert“. (Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe, 15.03.2006)