Ökonomen haben es oft schwer. Die einen werden für die Globalisierung und ihre negativen Folgen verantwortlich gemacht (in wenigen Fällen zu recht, in den überwiegenden Fällen zu unrecht); Und die anderen werden ständig mit Fragen gelöchert: Steigen die Aktien-Kurse? Oder fallen sie gar? Was bedeuten höhere Zinsen für die Wirtschaft? Ist denn Geld wirklich so wichtig?

Solche Fragen kümmern Steven D. Levitt wenig. Auch ist er schwerlich für die Globalisierung verantwortlich zu machen - oder zu loben. "Ich habe es schon lange aufgegeben, so zu tun, als wüsste ich Dinge, von denen ich keine Ahnung habe", gestand Levitt 2003 dem "New York Times Magazine": "Ich bin nicht gut in Mathe, weiß nicht viel von Ökonometrie, und bin einfach kein Theoretiker."

Dies alles hinderte allerdings seine Kollegen nicht daran, Levitt mit dem John Battes Clark-Preis auszuzeichnen, der alle zwei Jahre an den besten Ökonomen unter vierzig vergeben wird. Schließlich fühlt sich Levitt durchaus wohl in seiner Wissenschaft. Kann sie doch mit äußerst spannenden Antworten aufwarten - wenn nur die Fragen nicht so langweilig wären.

Crack-Dealer als Ökonom

Fragen etwa wie: "Fühlen Sie sich als Afro-Amerikaner benachteiligt?" Dass Umfragen mit solchen Fragen in einem heruntergekommenen Vorort von Chicago nicht gerade von Phantasie zeugen, sondern auch gefährlich sein können, musste ein junger Kollege Levitts erfahren - zumal er unverhofft mitten in eine Gang von Crack-Dealern geraten war. Dem Umstand, dass der Chef der Gang selbst studierter Ökonom war, verdankt der Umfragende sein Leben - und so konnte er auch die genauesten Aufzeichnungen über die ökonomischen Strukturen der Drogenbanden in Chicago liefern.

Als Levitt diese Unterlagen in die Hände bekam, formulierte er dann auch eine jener Fragen, die in ihrer bestechenden Einfachheit nicht zu übertreffen sind: Warum wohnen soviele Crack-Dealer noch bei ihren Müttern?

Oder anders - ökonomisch - formuliert: Worin besteht der Anreiz (neudeutsch: Incentive), einer solch gefährlichen Tätigkeit nachzugehen, wenn man sich dann nicht einmal eine eigene Wohnung leisten kann?

Abtreibung führte zu weniger Kriminalität

Dass sich Levitt mit seinen Überlegungen nicht nur Freunde macht, beweist seine umstrittenste Theorie. So stellt er eine Verbindung zwischen der Legalisierung der Abtreibung zu Beginn der siebziger Jahre und dem völlig überraschenden Rückgang der Kriminalität am Ende der Neunziger her.

Seine durchaus schlüssig dargelegte These geht davon aus, dass gerade jene Frauen von ihrem Recht zur Abtreibung Gebrauch machen, deren Söhne die höchste Wahrscheinlichkeit besitzen, kriminell zu werden: arme, junge und schlecht ausgebildete.

Bei all diesen plakativen Bespielen schaffen es Levitt und sein Co-Autor, der New York Times-Journalist Stephen J. Dubner, auch, den Lesern die Grundwerkzeuge der Ökonomie näher zu bringen, ohne die Laien darunter zu überfordern. Und den Ökonomen zeigen sie, dass ihre Wissenschaft weit mehr kann, als Aktienkurse vorherzusagen.

Dies alles kombiniert mit einem Erzählstil, durch den das Lesen auch bei der trockensten Materie zum Vergnügen wird, macht "Freakonomics" zu einem höchst lesenswerten Buch, das seinen Platz sowohl in einem WU-Seminar als auch auf dem Nachtkästchen findet.