Novells Nat Friedman, derzeit recht viel auf Reisen in Sachen Linux Desktop

Foto: Nat Friedman
Am Rande der CeBIT hatte der WebStandard die Möglichkeit ein ausführliches Interview mit Novell Vizepräsident und Desktop-Entwicklungschef, Nat Friedman, zu führen. Im Mittelpunkt des Gesprächs stand dabei der kurz zuvor angekündigte SUSE Linux Enterprise Desktop (SLED) und die darin enthaltenen Neuigkeiten wie der 3D-beschleunigte Grafikserver Xgl . Aber auch darüber hinaus plauderte Friedman recht offenherzig über derzeitige und künftigen Entwicklungen im Bereich des Linux Desktops. Das Gespräch führte Andreas Proschofsky.

derStandard.at: Wird es eine offene Beta für den SUSE Linux Enterprise Desktop geben?

Nat Friedman: Ja, wir planen eine Testversion freizugeben, allerdings wohl nicht vor dem ersten Release Candidate. Einen genauen Zeitplan dafür haben wir aber noch nicht.

derStandard.at: Im letzten Interview, haben Sie drei Punkte genannt, die ihrer Meinung nach die Haupthindernisse für den Erfolg von Linux am Desktop sind: Keine einheitliche Entwicklungsplattform, schwierige Softwareinstallation (es geht nicht so einfach Programme herunter zu laden und zu installieren wie unter Windows) und mangelnde Hardwareunterstützung. Hat sich da mittlerweile etwas verbessert?

Nat Friedman: Ich denke schon, zum Beispiel in Bezug auf die Entwicklungsplattform: Die dahinter stehende Frage ist ja primär, wie man unabhängige Softwarehersteller (ISVs) dazu bringt ihre Software auf Linux zu portieren. Hier hilft natürlich, dass Linux mittlerweile eine wesentlich bessere technologische Basis bietet, als noch vor einigen Jahren. Zusätzlich haben wir mit Mono in der kommenden Version 1.2 eine Plattform, mit der sich dank der Windows.Forms-Implementierung eine ganze Reihe von Anwendungen direkt von Windows übernehmen lassen. Weiters gab es vor einigen Monaten ein von den Open Source Development Labs (OSDL) initiiertes Treffen, bei dem sich die verschiedenen Kräfte im Linux-Desktop-Bereich mit ISVs zusammengesetzt haben. Und deren Message war klar: "Uns sind Fragen wie 'GTK+ vs. QT' ziemlich egal, was wir wissen wollen, ist wie wir ein Icon auf den Desktop bekommen, wie wir einen Print-Dialog so gestalten, dass er überall zuverlässig funktioniert. Daraus ist das "Project Portland" entstanden, das gewisse einfache Standard-APIs zur Verfügung stellen soll, und in den nächsten Monaten erste Ergebnisse liefern sollte.

Im Bereich der Softwareinstallation gab es auch einige Fortschritte, so gibt es etwa im SLED mit der libzypp ein neues Backend für unser Softwaremanagement, das aus einer Verschmelzung von YAST und Red Carpet / Zenworks entstanden ist, und mit dem es wesentlich einfach wird Software wahlweise lokal zu installieren oder zentral zu managen. Zusätzlich gibt es derzeit einige interessante Entwicklung in Hinblick auf Software, die es in der Zukunft für die einzelne User wesentlich einfacher machen sollte, Programme zu installieren, zum Beispiel Autopackage oder Klik.

derStandard.at: Heißt das, dass Novell künftig solche Technologien unterstützen wird?

Nat Friedman: Ja, vor allem Klik finde ich in dem Zusammenhang sehr interessant.

Der dritte Punkt bezog sich auf die Hardwareunterstützung und ich denke auch hier hat sich einiges getan. Mit Project Utopia, HAL und dbus haben wir hier einen großen Schritt vorwärts gemacht. Auf der Treiber-Ebene hoffen wir durch Kooperationen mit Hardware-Partnern und Zertifizierungen weitere Fortschritte zu erreichen. So wird es OEM-Partner für den SLED geben, die die Linux-Software im Bundle mit ihrer Hardware anbieten werden, dadurch entsteht dann natürlich auch ein gewisser gegenseitiger Druck, um die verbliebenen Probleme zu beseitigen. Aber auch jetzt hat sich in der Hinsicht schon einiges getan, nehmen wir zum Beispiel Intel: Mittlerweile bekommen wir von jedem neuen Chipsatz der Firma - von Wireless bis zur integrierten Grafik - Vorversionen, um sicherzustellen, dass die neue Hardware problemlos mit Linux zusammenarbeitet und wir sie supporten können.

Bild: Automatische Kameraerkennung mit dem GNOME Volume Manager

Allgemein denk ich, dass sich in der letzten Zeit eine Menge getan hat, Beagle, Xgl, die OpenOffice.org VBA-Macros usw. sind große Schritte vorwärts. Ich habe den Linux Desktop ja nun schon einige Jahre verfolgt, und muss sagen: Ich habe noch nie einen derartigen Fortschritt am Linux-Desktop wie im Moment gesehen.

derStandard.at: Wird Xgl im SLED per Default aktiviert sein?

Nat Friedman: Nein, konkret machen wir folgendes: Wir stellen eine Liste mit unterstützen Videokarten zusammen, und wenn die eingesetzte Hardware als kompatibel aufscheint, bieten wir die Möglichkeit, die Desktop-Effekte einzuschalten. Zusätzlich wird sich das auch im Nachhinein mittels eines Einstellungsdialogs leicht ein- und ausschalten lassen.

derStandard.at: Wie ist das Verhältnis zu Red Hats alternativer Lösung AIGLX?

Nat Friedman: Eigentlich ziemlich gut. Die beiden Projekte tauschen Code untereinander aus, außerdem basieren sie auf ähnlichen Grundlagen - etwa die OpenGL-Bibliothek glitz. Ich denke im Moment ergänzen sich die beiden Projekte, während Xgl vor allem mit den Closed Source-Treibern von Nvidia und ATI zusammenarbeitet, läuft AIGLX besser mit den Open Source-Treibern. Es könnte sogar sein, dass wir beide Lösungen ausliefern, das ist derzeit aber noch nicht endgültig entschieden. Welche Lösung sich dann endgültig durchsetzt wird sich wohl erst mit der Zeit zeigen, dafür ist es im Moment aber noch zu früh. So ist zum Beispiel die derzeitige Xgl-Architektur noch nicht endgültig, Für die Zukunft würden wir das Ganze gern auf dem plattformunabhängigen EGL basieren, aber so weit sind wir derzeit noch nicht. Im Moment ist das Next-Generation-Grafikinterface für den Linux Desktop noch in der Entwicklungsphase, die gute Nachricht ist allerdings, dass sich das Frontend für Anwendungsentwickler nicht ändern wird. Wer z.B. die Grafik-Bibliothek Cairo benutzt wird die Hardware-Beschleunigung bekommen, egal wie die Lösung im Hintergrund dann aussieht. Auch wer compiz - und dessen PlugIn-System für Effekte - in seiner Software zum Einsatz bringen will kann dies ja sowohl auf Xgl als auch auf AIGLX.

Bild: 3D-Effekte mit Xgl

derStandard.at: compiz ist ja nicht nur ein Compositing Manager sondern auch ein Window Manager und ersetzt dabei alt eingesessene Lösungen wie Metacity. Ist damit nicht auch ein gewisses Risiko verbunden, immerhin ist in diese Projekte bereits jede Menge an Entwicklungsarbeit und Bugfixing eingeflossen?

Nat Friedman: Klar ist das ein gewisses Risiko, aber technisch gesehen ist es einfach die bessere Lösung. Für die Art von Dingen wie sie compiz anbietet, ist es wirklich notwendig den Compositing und den Window Manager in einem Programm zu vereinen. Wir haben das anfänglich mit Metacity probiert, das hat sich allerdings als nicht gangbar erwiesen, da sich einige grundlegende Konzepte von Metacity nicht gut mit den Compositing-Effekten vertragen. Wir hätten also eine ganze Menge grundlegender Änderungen an Metacity vornehmen müssen, um zum Ziel zu kommen, insofern war es einfacher eine neue Lösung zu schreiben. Es ist schwierig zu sagen, welche Herangehensweise sich letztendlich durchsetzen wird, aber compiz hat eine Menge von Vorteilen: Im Kern ist es ein kleines C-Programm, das über PlugIns erweitert werden kann, etwa mit einem Window-Decorator für QT. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit einen gemeinsamen Window Manager und eine gemeinsame Basis für Compositing-Effekte für KDE und GNOME zu etablieren, ob die Linux-Community diese Möglichkeit wahrnimmt bleibt abzuwarten, aber ich denke es ist eine tolle Chance.

derStandard.at: Im Moment gibt es noch keinen QT-Window-Manager für Xgl, Novell bietet neben dem GNOME aber auch den KDE-Desktop im SLED an. Wird dieser noch kommen, oder werden diejenigen, die sich für KDE entscheiden vorerst auf Xgl verzichten müssen?

Nat Friedman: Wir hoffen, dass sich ein KDE-PlugIn für compiz noch bis zu Release ausgeht, das ist aber noch nicht ganz fix. Falls nicht werden wir das nachliefern.

derStandard.at: Eine der augenscheinlichsten Neuerung im SLED ist das neue Startmenü, bisher ist dessen Code allerdings noch nicht veröffentlicht, wann soll das folgen?

Nat Friedman: So schnell wie möglich, einen konkreten Zeitpunkt kann ich noch nicht nennen, aber wohl in den nächsten Wochen.

derStandard.at: Also kein Warten bis nach der Veröffentlichung der finalen Version des SLED?

Nat Friedman: Nein, nein, auf keinen Fall. Wir wollen nur noch zuvor ein paar Bugs beseitigen, damit wir dann mit der Community an der weiteren Verbesserungen arbeiten können.

Bild: Das neue Startmenü des SLED samt Application Browser und Control Center

derStandard.at: Einige Stimmen in der Community meinen, dass das neue Startmenü sich zu sehr an Windows orientiert, steckt da ein Fünkchen Wahrheit dahinter?

Nat Friedman: Nein, das ist eine vollkommen andere Lösung. Wir haben ja nicht einmal ein richtiges Menü, wie unter Windows sondern verwenden den Application Browser und die Suche zum Aufspüren von Anwendungen. Das Design ist auch in keiner Weise auf der Windows-Lösung aufgebaut, sondern eine vollkommen unabhängige Lösung, die aus umfangreichen Usability-Tests und mehreren Entwurfsgenerationen entstanden ist. Das Windows-Startmenü ist ja auch in einigen Punkten wirklich schlecht, nehmen wir als Beispiel die Anzeige von neu installierten Anwendungen, diese werden recht umständlich mit einer Art "Highlight-Pfad" angezeigt, was keine sehr saubere Lösung ist. Wir haben hingegen einfach im Application Browser eine eigene Kategorie mit neuen Anwendungen eingebaut, das ist vom Ansatz her viel "cleaner".

Für die Zukunft sieht auch Gimmie recht interessant aus, das Alex Graveley (u.a. Entwickler des Desktop-Wikis Tomboy, Anm. derStandard.at) vor kurzem vorgestellt hat. Falls sich das gut weiterentwickelt und als praktikabel herausstellt, könnte es durchaus sein, dass wir es selbst in einer künftigen Version ausliefern. Da sich die Software noch in einem recht frühen Stadium befindet, ist es wohl noch zu früh, über so etwas eine definitive Aussage zu treffen. Aber es ist auf jeden Fall gut zu sehen, wie viel interessante Innovationen im Bereich des Linux-Desktops entstehen.

Bild: Gimmie, Dokument- und BenutzerInnen zentriertes Startprogramm

derStandard.at: Mit dem SLED gibt es auch eine Änderung im Layout des GNOME-Desktops, so gibt es nun nur mehr ein Panel, und dieses befindet sich am unteren statt am oberen Ende des Bildschirms. Ist das eines der Gebiete, wo man sich an den Gewohnheiten von Windows-BenutzerInnen orientiert?

Nat Friedman: In einem gewissen Maß schon, denn das ganze ist ebenfalls aus den Erfahrungen unserer Usability-Tests entstanden. Dabei hat sich gezeigt, dass die bisherige Lösung sowohl für Macintosh als auch für Windows-BenutzerInnen verwirrend war. Die ersteren haben durch das Menü oben angenommen, dass sich dieses wie unter Mac OS X verhält, während die anderen ohnehin das Ganze unten erwartet haben.

derStandard.at: Aktuelle Versionen des SLED basieren auf dem GNOME 2.12, soll das so bleiben, oder wird noch auf die GNOME 2.14-Serie aktualisiert?

Nat Friedman: Im Großen und Ganzen bleiben wir bei GNOME 2.12, einige Komponenten werden wir aber wohl aktualisieren, um von deren Verbesserungen zu profitieren. Dazu könnt etwa die neue Version 0.10 des Multimedia-Frameworks GStreamer gehören.

derStandard.at: Was halten Sie von neuen Entwicklungen wie dem "Tagged Desktop" (konkret: Leaftag für GNOME)?

Nat Friedman: Das sind großartige Ideen für die Zukunft. Tags haben sich als äußerst nützlich für die Sortierung von Bildern in F-Spot oder für Mails bei GMail erwiesen, und ehrlich gesagt sehe ich keinen Grund, warum das nicht auch mit Files und anderen Objekten am Desktop funktionieren sollte. Ein vollkommen "getaggter" Desktop wäre eine äußerst mächtige Angelegenheit. Was man dann auch machen könnte ist von klassischen hierarchischen Filesystem-Strukturen wegzugehen, und die eigenen Dateien nach ihrem Inhalt und ihren Tags zu sortieren.

Bild: Tagging von Dateien am Desktop mit Hilfe von Leaftag

derStandard.at: Im letzten Jahr gab es eine lebhafte Diskussion über GNOME 3.0 und was eigentlich dazu nötig wäre, dass man den "großen" Versionssprung rechtfertigen könnte. Was müsste dafür passieren?

Nat Friedman: Im Moment passieren ja bereits einige recht große Dinge, eines davon ist, dass Red Hat damit begonnen hat Mono mit seiner Distribution auszuliefern, was heißt, dass Anwendungen wie F-Spot und Beagle potentiell in den offiziellen GNOME aufgenommen werden können. Zusätzlich sind Technologien wie Beagle mittlerweile recht ausgreift, was dazu führt, dass Anwendungen wie das Deskbar Applet sie integrieren können und wir überall im Desktop eine integrierte Suche haben. Außerdem gibt es im Moment eine ganze Reihe von innovativen Entwicklungen wie Leaftag oder Gimmie, man kann also eigentlich bereits die Konturen von GNOME 3.0 wahrnehmen. Ich denke irgendwann werden wir einfach an den Punkt kommen und sagen: "Wow, wir sollten wirklich die Nummer ändern!".

derStandard.at: Das ist ein recht anderer Ansatz, als ihn zum Beispiel das KDE-Projekt hat, dass ja mit KDE 4 zahlreiche zentrale Neuerungen auf einmal probiert, oder?

Nat Friedman: Ich denke das ist ein riskanter Ansatz, ich hoffe wirklich, dass es funktioniert, weil wenn nicht wäre das wirklich schlecht für Linux als Ganzes. Aber es ist einfach schwierig eine so große Release hinzubekommen und den Zeitplan mit den geplanten Features in Einklang zu bringen.

derStandard.at: Eine der zentralen Anwendungen im SLED - und am Linux-Desktop im allgemeinen - ist OpenOffice.org. Apple und andere Hersteller verfolgen ja mittlerweile einen recht anderen Ansatz mit kleineren auf einzelne Tasks ausgerichteten Anwendungen statt einer großen Office-Suite. Ist da OpenOffice.org noch eine zeitgerechte Lösung?

Nat Friedman: Ich würde sehr gerne kleine, einfach zu verwendende, klar ausgerichtete Anwendungen stattdessen einsetzen, die Wahrheit ist allerdings: Es gibt sie einfach derzeit nicht. Wenn sie wer schreibt: Großartig. Aber im Moment ist OpenOffice.org die einzig wirklich konkurrenzfähige Lösung für den Linux-Desktop. Und man muss sich dabei auch klar sein: Eine vollständige Office-Suite zu schreiben braucht an die 10 Jahre, das ist also nicht gerade ein kleines Unterfangen.

Bild: VBA-Macro-Support in OpenOffice.org

derStandard.at: Novell hat auch Entwickler, die an einer eigenen, verbesserten OpenOffice.org-Version für Windows arbeiten, warum veröffentlicht man diese eigentlich nicht?

Nat Friedman: Das ist eigentlich nur eine Ressourcenfrage, im Moment haben wir einfach nicht genügend Leute um diese zu supporten. Darum verwenden wir sie derzeit nur intern.

derStandard.at: Ein Trolltech-Mitarbeiter hat vor kurzem angekündigt, dass man plane kommende Versionen der eigenen Widget-Library QT auf den glib-Mainloop - den auch GTK+ verwendet - aufzusetzen, was halten Sie davon?

Nat Friedman: Ich hoffe wirklich dass sie das machen. Das würde eine ganze Reihe von fantastischen Möglichkeiten ergeben, wie GTK+-Plugins für KDE-Anwendungen und umgekehrt.

derStandard.at: Novell hat in den letzten Jahren einige Projekte angestoßen, die dazu gedacht sind, die Interoperabilität zwischen den einzelnen Plattformen zu verbessern, allerdings kommt da oft wenig Gegenliebe von der KDE-Seite, als Beispiel sei hier das Tango-Icon-Projekt genannt. Macht man hier was falsch? Hätte man das nicht schon im vorhinein absprechen sollen?

Nat Friedman: Das haben wir ja, die Geschichte dahinter war folgende. Wir haben uns gedacht "Lasst uns ein einheitliches Icon-Set für den Linux-Desktop entwerfen, um einen gemeinsamen Look für die einzelnen Anwendungen und Desktops wie KDE, GNOME, OpenOffice.org und Firefox zu erhalten. Als Basis haben wir bewusst den Firefox und nicht den GNOME herangezogen, um leichter mit den anderen auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Leider ist es uns das aber - trotz monatelangen Diskussionen - nicht gelungen. Irgendwann ist dann halt mein Team zu mir gekommen ist, und hat gesagt: "Nat, wir haben all diese hübschen Icons gezeichnet, bitte lass sie uns endlich veröffentlichen".

derStandard.at: Danke für das Interview.