Wenn jemand vergangenen Herbst auf der Designmesse "Blickfang" besonders viele Blicke fangen konnte, dann waren das die drei Gestalter von Kijode. So wurden die drei Lustenauer dann auch für ihre Arbeit und ihren Stand mit dem Designpreis der Messe bedacht. Dabei schaute die Präsentation des Teams so überhaupt nicht nach Messe-Auftritt oder gar Designpreis aus. Eher nach Garagenparty.
Amerikanische LKW-Fahrer-Mützen, ein stattlicher Vorrat an Vorarlberger Bierdosen, an der Wand ein Atompilz und entgegen den Gepflogenheiten vieler anderer "Standler" auch keine einladend grinsenden Aussteller auf Interessentenbalz. Einfach drei junge Leute, die ein paar ihrer Objekte hingestellt haben, nur so.

Foto: Hersteller

Kijode, Guerilla Design Group, nennt man sich. Kijode, das steht für Kai Riedesser, Johannes Bayer und Denise Ender, allesamt knapp jenseits der 30. Den Provinzstaub schüttelten sie bei Studien in Mailand und Los Angeles ab, zurückkamen im Jahr 2003 ein Architekt, eine Grafikerin und ein Industriedesigner. "Wir haben uns dann mehr oder weniger spontan zusammengesetzt und einfach Gas gegeben. Drei Monate später stellten wir in Mailand aus, eher so skulpturale Geschichten, Formstudien. Es entstand etwas, das wir gerne ,chaotisches Experimentieren' nennen", erzählt Kai Riedesser.

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Würde man nicht flugs merken, dass Kijode mit Dingen wie Marketing nix am Hut hat, könnte man den dreien wegen ihres Zusatzes "Guerilla Design Group" glatt einen kleinen PR-Schmäh unterstellen. Riedesser, er entpuppt sich als Sprachrohr der Gruppe, spricht von einem "Fight gegen das Establishment", einem Kampf gegen das "Aalglatte in der Branche". "Design ist doch viel mehr als nur Behübschung oder Formgebung. Uns geht es darum, Inhalte zu transportieren. Und Design kann Inhalte transportieren", ist sich der Architekt sicher und erinnert an die Botschaften, die zum Beispiel Charles und Ray Eames oder der Filmemacher Stanley Kubrick mit ihrer Formensprache so prächtig rüberbrachten.

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Große Töne zu spucken ist freilich noch kein Design und noch weniger Inhalt. Woraus besteht also der Kijode-Spirit, wie die drei ihre Designphilosophie nennen? "Uns geht es um Spannungsfelder. Wir schnappen ganz spontan Themen auf wie zum Beispiel Katastrophe oder Technologie oder soziale Geschichten. Und darum herum spinnen wir unsere Kollektion. Irgendjemand nannte unsere Arbeit einmal ,futuristischen Jugendstil'", erklärt Kai Riedesser. Dabei erfrischt es, dass sich selbst innerhalb der noch kleinen Kollektion von Kijode, die circa zwölf Objekte umfasst, keine einheitlichen Stilelemente festmachen lassen. Fast könnte man glauben, die Möbel stammen von mehr oder weniger unterschiedlichen Gestaltern.

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Doch nun ans Eingemachte: Der Tisch "ill Bill" aus der "Superstar"-Serie basiert zum Beispiel auf einer Auseinandersetzung mit dem Thema Ornament - doch nicht nur. Der hochglanzlackierte Tisch aus PVC-Hartschaum ist an seinen Seitenwänden über und über mit scheinbar willkürlichen, organisch geformten Löchern übersät. Zugrunde liegt diesem ornamentalen Zugang die Struktur eines Oberschenkelknochens und die Auseinandersetzung mit Bionik. Natürliche Künstlichkeit oder künstliche Natürlichkeit, lautet die von Kijode gestellte Frage. Wo andere eine ganze Kollektion drum herumspinnen und so zwangsläufig in einer Stilschublade landen, surfen Kijode bereits die nächste Welle ab.
Das bettartige Sofa "korsage one" aus der Linie "Disastah" beschäftigt sich mit Verletzlichkeit. Geschwungene Hartschaumteile halten und beschützen den verletzlichen weichen Kern. Wie eine Klammer oder geschwungene Arme legen sie sich um den Körper des Sofas und werden so zum Korsett einer undefinierbaren Polstermasse, deren Nähte an Narben und Schmerz erinnern sollen. So ungemütlich gemütlich kann Möbeldesign sein.

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Dass Kijodes bewusste Abkehr von einer Suche nach Ästhetik mitunter eine formal ganz neue Kraft bringen kann, scheint ein weiterer Wesenszug des "Kijode Spirit" zu sein. Ihr Greenhorn-Image in der heimischen Designprärie lässt die drei von Kijode kalt, "wir sehen uns ja selbst als solche." Vorbilder nennen die drei natürlich keine. "Wenn überhaupt, sind es Leute, die konsequent ihren Weg gehen, Leute, mit denen man reden kann, egal wie alt oder wichtig sie sind. Unser Ziel ist es, irgendwann zu wissen, wo's lang geht", meint Riedesser. Und würde das abgedroschene Zitat "Der Weg ist das Ziel" nicht so unpassend für Kijode klingen, man wäre versucht, es als Schlusswort hinzuschreiben.

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Doch was ist, wenn der Weg sich für die drei gabelt oder gar schneller als gedacht zu Ende ist? "Um das geht's nicht", so Riedesser, "Kijode versteht sich als Label, das für eine reflektierende Umwelt mit radikal progressivem Vorwärtsdrang Lebensräume für die Zukunft entwickeln will. Unser Prinzip geht sicher auf. Wenn wir's nicht schaffen, tut's ein anderer."

Kijode, Guerilla Design Group
Augartenstraße 39, 6890 Lustenau
www.kijode.com

(Michael Hausenblas/Der Standard/rondo/10/03/2006)

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