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Walter Posch arbeitet am Institute for Security Studies (EUISS) der Europäischen Union mit Sitz in Paris. In Österreich ist er für das Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement (IFK) der Landes- Verteidigungsakademie des Bundesheeres tätig.

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derStandard.at: Was erwarten Sie sich durch die Überweisung des Streits um das iranische Atomprogramm an den UN-Sicherheitsrat?

Posch: Dass der Iran dies als feindlichen Akt auffasst, aus dem Atomwaffensperrvertrag austritt und die Inspektoren des Landes verweist, damit würden die IAEA und dadurch die Weltöffentlichkeit jeglichen Überwachungsinstruments beraubt werden.

derStandard.at Es kommt also eher zu einer Eskalation der Lage?

Posch: Wenn die Iraner aus dem Vertrag aussteigen, handelt es sich natürlich um eine Eskalation.

derStandard.at: Ist die Wahrscheinlichkeit eines militärischen Eingreifens gegen den Iran nun gestiegen?

Posch: Solche Entscheidungen hängen von anderen Parametern, vor allem von der iranischen Rolle im Irak ab. Auch wenn es starke Befürworter eines militärischen Eingreifens gegen den Iran gibt, so scheint niemand in den USA und schon gar nicht in Europa eine militärische Konfrontation zu wollen.

derStandard.at: Könnten die USA wie im Fall Irak auch gegen den Iran ohne Beschluss des UN-Sicherheitsrates angreifen?

Posch: Nein, der Unterschied liegt darin, dass die USA seit zwei Jahren Unilateralismus vermeiden und sicher sind, eine passende Resolution durch den Sicherheitsrat zu bringen.

derStandard.at: Der Iran gerät nicht zuletzt durch die starre Haltung von Präsident Ahmadinejad zusehends in (wirtschaftliche?) Isolation. Wie sehr schadet das dem Präsidenten innerhalb des Landes? Könnte ihn seine starre Haltung politisch sogar den Kopf kosten?

Posch: Wirtschaftliche Isolation? Iranisches Kapital flieht aus dem Iran und die Iraner bekommen weniger Investitionen, von Isolation zu sprechen ist jedoch überzogen. Der Iran hat sich mit seiner chaotischen Wirtschaftspolitik immer selbst geschadet und die Schattenwirtschaft war ohnehin einer der wichtigsten Arbeitsgeber.

Ahmadinejad spielt nun recht erfolgreich die Populismusschiene, wirtschaftlich motivierte Proteste (z.B. Streiks der Busfahrer) lässt er rücksichtslos unterdrücken. Unter normalen Umständen hätte er sehr rasch an Ansehen verloren, das Atomprogramm und seine Polemiken haben ihm aber so sehr geholfen, dass ich nichts sehe, was ihm nun den innenpolitischen Kopf kosten könnte.

derStandard.at: Ahmadinejad hat mehrere antisemitische Aussagen getätigt und drohte auch mit der Vernichtung Israels. Wie ernst sind solche Sager zu nehmen?

Posch: Er hat ein Khomeini-Zitat aufgegriffen, was er sehr bald bereute. Die Iraner trauen sich nicht mehr mit der Vernichtung Israels zu drohen, vielleicht hat jemand mit ihnen Klartext gesprochen. Was für ihn und für die meisten Muslime typisch ist, ist der Versuch Zionismus von Judentum zu unterscheiden.

Seiner Ansicht nach unterdrückt Israel die Palästinenser nicht, weil es jüdisch ist, sondern weil es zionistisch ist. Bis hierher ist alles nachvollziehbares anti-imperialistisches, islamistisches Denken. Interessant ist seine Obsession mit dem Holocaust, weil es darüber weder bei Khomeini noch im generellen islamistischen Diskurs eine Parallelle gibt. Das erinnert eher an den europäischen Antisemitismus nach 1945.

derStandard.at: Bringt ihn das innerhalb des Landes, in welchem es ja auch einen jüdischen Bevölkerungsanteil gibt, nicht zusätzlich in Bedrängnis?

Posch: Einen großen jüdischen Bevölkerungsanteil gibt es nicht, er ist groß im Verhältnis zu anderen Ländern, aber deutlich unter 100.000 Personen. Die Tragik ist, dass Iran über 2.000 Jahre das wahrscheinlich toleranteste Land der jüdischen Bevölkerung gegenüber war, und Antisemitismus in der normalen Bevölkerung auch heute kaum zu finden ist.