Boden, wie ihn Plavac mag: kalkreich und karg.

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Frauenarbeit: Qualitätskontrolle am Sortiertisch bei der Ernte in der Bessa Valley Winery

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Dass ein Weingut ein Verkostungsgespräch mit der Entschuldigung eröffnet, dass es "nur 115 Hektar" hat, ist ungewöhnlich. So geschehen bei einer Verkostung in Bukarest, bei der ein Querschnitt durch die Weinproduktion Rumäniens präsentiert wurde: Weine aus internationalen Rebsorten, allen voran Merlot, Cabernet Sauvignon und Chardonnay, dazu mehrere lokale Sorten, deren Aussprache etwas Übung verlangt und Geduld beim Abmalen von Häkchen und Hatscheks: Aber so einige darunter machten geschmacklich gute Figur ebenso wie manche Sauvignons Blancs. Aus der roten Feteasca Neagra entstehen z. B. würzig-dunkelbeerige Weine, während Tamâioasa româneasca nicht grundlos "Weihrauchtraube" heißt und einen duftend-aromatischen Wein ergibt, der gemäß dem Regionsgeschmack gerne halbsüß ausfällt. Länder wie Rumänien, Bulgarien oder auch Mazedonien und Kroatien werden mit Vorliebe als Lieferanten einfachster Billigweine gesehen, was nur ein Teil der Realität ist. Vor allem in den letzten Jahren treten immer mehr Betriebe auf den Plan, deren Weine Beachtung verdienen.

Einige der rumänischen Weinbauunternehmen, zu denen oft mehrere Häuser in verschiedenen Regionen gehören, stellen derzeit vor allem Rebsortenweine her: keine Erzeugnisse, die einem weinintellektuell viel abverlangen, sondern Shiraz, Cabernet und Merlot, die genau nach dem schmecken, was auf dem Etikett steht. Dazu zählt z. B. die deutsche Firma Carl Reh, die sich in Oprisor im Südwesten des Landes niedergelassen hat. Einigen Qualitätsanspruch dagegen erheben die Weine aus dem rumänisch-britischen Joint Venture Cramele Halewood, die unter dem Namen "Prahova Valley" vermarktet werden. Eine Ausnahme in der großflächig strukturierten Weinwirtschaft ist "Prince ¸Stirbey" in Draga¸sani, der dem Tiroler Jakob Kripp und seiner aus Rumänien stammenden Frau Ileana gehört. Auf 20 Hektar pflegt man lokale Sorten wie eben Tamâioasa und Crâmpo¸sie Selc¸tionata sowie einen hochklassigen Sauvignon Blanc.

Bulgarien als Trendsetter

Bulgarien hat sich als erstes Land der Region mit Hilfe ausländischer Investoren und Berater einen Namen gemacht und zielt heute mit einigen Projekten auf den Premium-Weinmarkt. Dazu gehört Bessa Valley Winery des Deutschen Karl Hauptmann und Stephan Graf von Neippberg, der u. a. mit Canon La Gaffelière und La Mondotte zu den Top-Produzenten im Bordelais zählt. Auf rund 250 Hektar, von denen erst 135 mit Merlot, Syrah, Cabernet und Petit Verdot bepflanzt wurden, entsteht "Enira", eine Cuvée internationalen Zuschnitts. Technologie und Arbeitsweise sind State of the Art. Und Telish Wine Cellars bei Pleven, Nordbulgarien, haben kürzlich Michel Rolland, den im Film "Mondovino" dämonisierten Önologen engagiert, der weltweit Weingüter unter seinen Fittichen hat. Ziel ist, "sich mit Rotwein im Premium-Weltmarkt zu etablieren".

Die Ansätze in der Region zeigen, dass die vollen Möglichkeiten noch nicht ausgeschöpft werden. Aber das Potenzial der lokalen Rebsorten ist gut. Mavrud und Melnik sind in Bulgarien heimisch und werden u. a. von der Damianitza Winery in der Stadt Melnik in guter Qualität hergestellt. Vranec ist am Zentralbalkan, z. B. in Mazedonien weit verbreitet, empfehlenswert ist jener des mazedonischen Produzenten "Bovin". Der Vorzeige-Rote Kroatiens heißt Plavac, ein Verwandter der US-Rebsorte Zinfandel. Dass sie bei guter Behandlung einiges bietet, schmeckt man beim Plavac aus der steil ins Meer abfallenden Edellage Dingac auf der Halbinsel Peljesac, 50 Kilometer nördlich von Dubrovnik. Einer der interessantesten Produzenten ist Frano Milos, der die Eigenwilligkeit der Sorte durch traditionellen Ausbau in 1500-Liter-Holzfässern unterstützt. Und dass Kroatien auch Weißwein sein kann, zeigt der Önologe Janko Jovanov mit Poip, Marastina und Rukatac auf der Insel Korcula.

Den roten Sorten dieser Länder gemeinsam ist Würzigkeit und kraftvolles Tannin, das in den besten Fällen mit tiefer Frucht gepaart ist: je nach Sorte von Kirsche über Zwetschken und Powidl bis zu Heidelbeeren. Übrigens: Qualitätsarbeit hat auch in diesen Ländern ihren Preis, der - selbst wenn er nicht den Billig-Erwartungen vieler entspricht - im Verhältnis immer noch viel und interessanten Wein bietet.
(Der Standard/rondo/10/03/2006)