Pousada Dos Loios in Évora

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Es rumpelt kurz. Dann wird es wieder mäuschenstill in der engen Gasse der Altstadt von Évora. Ein Sack mit frischem Weißbrot hängt an der Türklinke einer geschlossenen Bar, leicht windig ist es und morgens früh um acht. Keine Menschenseele weit und breit. Aber es rumpelt erneut. Erst an der Ecke zur Rua 5 de Outobro lässt sich das Geräusch dann zuordnen: Eine Frau in leuchtoranger Jacke rattert mit einer hölzernen, grünen Scheibtruhe das Kopfsteinpflaster bergauf und stellt sie nach ein paar Metern wieder ab. Drei Kolleginnen mit Schaufeln und Kehricht folgen ihr. Die kleine mittelalterliche Stadt putzt sich für einen neuen Tag heraus. Und Straßenreinigung überlässt man dabei nur ungern den Männern.

 

Seit die Unesco den historischen Stadtkern mit seinen verwinkelten Gässchen und prächtigen Bauwerken sämtlicher Epochen Ende 1986 zum Weltkulturerbe erhob, rühren die 66.000 Einwohner sogar zweimal im Jahr den Löschkalk an und streichen ihre ohnehin strahlend weißen Häuser im Herbst und im Frühling neu: So stolz sind sie auf ihr schmuckes Städtchen mitten im Alentejo; Évora ist für viele Portugiesen der schönste Ort des Landes.

Flucht vor der Pest

Jahrhundertelang Sitz des Königshauses - der Hof floh vor der Pest aus Lissabon -, Wohnort von berühmten Dichtern, Malern und Seefahrern wie Vasco da Gama; zwischen 14. und 16. Jahrhundert das politische und kulturelle Zentrum Portugals. Aber das "secolo d'oro", die Glanzzeit Évoras, existierte nur mehr in Geschichtsbüchern und im Bewusstsein der Einheimischen.

Seit man offiziell zum "Erbe der Menschheit" zählt, ist vieles anders. Touristen kommen, das ganze Jahr hindurch, in den Wintermonaten vor allem Menschen aus Japan. Sie entdecken die zahllosen Sehenswürdigkeiten der von römischen Stadtmauern umgebenen Universitätsstadt: Die dreischiffige, mächtige Catedral de Santa Maria, sie ist die größte Kathedrale in ganz Portugal, den Diana-Tempel mit seinen vierzehn korinthischen Säulen aus dem 2. Jahrhundert - eine der besterhaltenen Ruinen aus der Römerzeit überhaupt, das römische Aquädukt oder die schaurige "Capela dos Ossos", die Knochenkapelle in der ehemaligen Franziskanerkirche.

Die Bewohner Évoras stoßen auch im Alltag immer wieder auf das geschichtsträchtige Erbe ihrer Stadt: Ein soeben fertig gebauter Supermarkt kann nicht eröffnen, weil die Arbeiter römische Ruinen gefunden haben; die Kantine für die Rathausangestellten muss verlegt werden, da am dafür vorgesehenen Ort Reste eines römisches Bades zum Vorschein kamen - wen wundert's da, dass das Lebenstempo der Leute hier als eher gemächlich gilt.

Man hält Siesta

Für den Rest des Landes aber Anlass genug, mehr oder weniger gelungene Witze über die Menschen in der Provinz jenseits des Flusses Tejo ("além" bedeutet: auf der anderen Seite) zu erzählen: "Warum haben die Politiker des Alentejo neben dem Bett einen Stuhl stehen? Damit sie sich gleich nach dem Aufstehen wieder hinsetzen können." Im Norden Portugals vergisst man gern, wie heiß es in dieser Region in den Sommermonaten zu Mittag werden kann. Bis zu 45 Grad zeigt das Thermometer dann - und deshalb hält man im Alentejo Siesta. Ob das nun in Portugal üblich ist, oder nicht.

Sanfte Hügel, Olivenbäume, Wein, riesige Steinbrocken, Schafherden, Wiesen und ebene Felder - das Alentejo, ungefähr ein Drittel der gesamten Fläche Portugals, ist ursprünglich und kaum besiedelt. Nur hin und wieder unterbricht eine kleine, weiß getünchte Häuseransammlung samt roten, flachen Ziegeldächern und hohen Schornsteinen die Landschaft.

Das Bild der knorrigen Korkeiche - eines der Wahrzeichen des Landes - prägt die gesamte Region. Portugal ist der größte Korklieferant der Welt, eine Eiche muss 20 bis 30 Jahre lang wachsen, bevor das Korkkleid zum ersten Mal vom Baum geschält werden kann. Bis die Rinde ein zweites Mal mit der Axt gelöst werden darf, vergehen wieder neun Jahre. Deshalb fördert die EU den Anbau von Korkeichen mit 350 Euro pro Hektar - auch um zu verhindern, dass die Bauern im Alentejo ihre Felder und Äcker mit Eukalyptusbäumen bepflanzen. Eukalyptus wächst schnell, wirft früh Ertrag ab, aber ruiniert die Qualität des Bodens nachhaltig.

Verborgene Schatzkammer

Schiefer, Marmor und rote, tonhaltige Erde - aus der verborgenen Schatzkammer Portugals kommen mehr als 50 Prozent aller Töpferwaren der gesamten Iberischen Halbinsel. Das Feuer der alten Holzöfen in den "olarias" lodert oft Tag und Nacht - denn die an der Drehscheibe geformten Krüge, Teller und Töpfe brauchen zwölf bis 13 Stunden, bis sie vollständig gebrannt sind. Erst dann ist Feierabend.

An der Pra¸ca do Giraldo, dem Mittelpunkt von Évora, trifft sich abends nicht nur die Jugend des Alentejo. In den Arkadengängen der herrschaftlichen, reichlich mit Stuck verzierten Häuser verstecken sich Tavernen, in denen es sich so portugiesisch wie vielleicht nirgendwo sonst speisen lässt. Deftiger Lammeintopf, "porco a alentejos" oder "bacalhau" - Stockfisch in den verschiedensten Variationen. Gebacken, gebraten oder frittiert, für Kabeljau gibt es auch im Landesinneren jede Menge Rezepte. Berühmt sind die Bars am Giraldoplatz aber für ihre "sobremesas", ihre Süßspeisen, die nach einem alten, streng gehüteten Rezept der Franziskanerinnen mit Eiern, Mandeln und Pinienkernen zubereitet werden.

Aus der Herkunft des Weines machen die Alentejaner kein Geheimnis. Er stammt zu beinah 100 Prozent aus einem der acht riesigen Weinanbaugebiete ihrer eigenen Provinz. Nur 30 Prozent des heimischen Rebensaftes werden exportiert - nach Frankreich, vor allem aber nach New Jersey oder nach Karlsruhe. Warum? Dort leben viele der Exil-Alentejaner, und diese lieben den Geschmack des Weins, der in ihrem so eigenen Land mit seinen weiten, ebenen Feldern gedeiht. (Der Standard/rondo/10/3/2006)