Wien – 1961 sprach der scheidende US-Präsident Dwight D. Eisenhower seine berühmte Warnung vor dem "militärisch-industriellen Komplex" aus. 45 Jahre später gibt es einen neuen "Komplex", vor dem sich die Amerikaner in Acht nehmen sollten: den "Homeland Security"-Komplex. Dies meint der US-Sicherheitsexperte Colonel Randall Larsen, ein Militär, der lange am National War College unterrichtet hat und somit kaum im Verdacht unpatriotischer Umtriebe steht. In einer Videokonferenz am Dienstag im Amerikahaus in Wien übte Larsen Kritik an der Art, wie die Homeland Security in den USA organisiert ist, auch wenn er einräumt, dass die Aufgabe an sich äußerst heikel sei: "Verteidigen ist viel schwieriger als angreifen."

Viele Schutzkonzepte für das US-"Heimatland" basierten auf technologischen Gimmicks, mit denen zwar Firmen viel Geld verdienen, die aber in kein strategisches Gesamtkonzept einbunden sind. Die Absenz eines solchen Konzeptes liege auch in der US-Verfassung begründet, ergänzt Larsens Kollege Dave McIntyre, ein Army-Veteran, der wie Larsen an der Texas A&M University unterrichtet.

Durch die absichtliche Zersplitterung von Regierungskompetenzen, die den Machtmissbrauch Einzelner verhindern soll, sei die Ausarbeitung eines Planes, der die Sicherheit des ganzen "Heimatlandes" verbürgt, schwierig. McIntyre und Larsen haben weitere Mängel zu rügen: Das Jahresbudget des Sicherheitsministeriums sei mit 45 Milliarden Dollar viel zu niedrig, wenn man es mit dem zwölffach höheren Militärbudget vergleicht (2007 vermutlich über 500 Mrd.). Am Beispiel des umstrittenen Verkaufs von sechs US-Häfen an die arabische Firma Dubai Ports World (DPW) beanstandet Larsen auch eine weit verbreitete Ahnungslosigkeit in Sicherheitsfragen. Die Sicherheit der Häfen liege auch nach dem Verkauf nicht bei DPW, sondern in der Hand staatlicher Stellen wie der Küstenwache, sodass sich die gesamte Debatte erübrige. McIntyre sieht diese Diskussion als ein mögliches böses Vorzeichen für ein viel größeres Kommunikationstohuwabohu, das im einem nationalen Katastrophenfall eintreten könnte.

Larsen meint, dass die Frage der Containersicherheit generell überschätzt werde. "Wenn ich eine Atomwaffe in die USA schmuggeln will, schicke ich sie nicht in einem Container, sondern mit einem Flugzeug aus Afrika." Und wer ernsthaft Chemiewaffen bauen wolle, der finde in den USA alles dafür Nötige vor. Viel sinnvoller wäre es, Programme zu fördern, mit denen Massenvernichtungswaffen oder die zu ihrer Herstellung nötigen Materialien bereits an ihren Ursprungsorten gesichert werden. (Christoph Winder, DER STANDARD, Print, 9.3.2006)