Washington - Knapp drei Monate vor Beginn der neuen Hurrikan-Saison und sechs Monate nach "Katrina" schlagen US-Expertengruppen Alarm. Sie warnen, dass die Dämme bei New Orleans, die zur Zeit repariert werden, wesentlich schwächer sein werden als vor dem 29. August vergangenen Jahres, als der Hurrikan Wassermassen über und durch die Schutzwälle trieb und fast die gesamte Stadt überflutet wurde.

Wettlauf mit der Zeit

Zwar werde der Wiederaufbau der Dämme höchstwahrscheinlich rechtzeitig zum 1. Juni, dem offiziellen Auftakt der Hurrikan-Saison, abgeschlossen sein, zitierte die "Washington Post" am Montag unabhängige Fachleute. Aber eben weil es sich um einen Wettlauf mit der Zeit handele, würden beim Wiederaufbau sonst übliche Standards verletzt. So werde beim Flicken an manchen Abschnitten Material von mangelhafter Qualität verwendet, und einige Teile, die zwar "Katrina" standgehalten, aber doch strukturelle Schäden erlitten hätten, würden aus Gründen der Zeitersparnis überhaupt nicht gefestigt.

Die Dammarbeiten laufen auf einer Strecke von etwa 270 Kilometern und sind der "Washington Post" zufolge derzeit etwa zur Hälfte abgeschlossen. Der US-Kongress hat bisher 1,6 Milliarden Dollar (etwa 13,3 Milliarden Euro) für Sofortreparaturen bewilligt. Die US-Regierung will weitere Mittel für zusätzliche Schutzmaßnahmen beantragen, so für den Bau von zusätzlichen Betonmauern zur Verstärkung der Dämme und für weitere Pumpstationen. Bis diese Maßnahmen umgesetzt seien, werde aber mindestens noch ein Jahr vergehen, zitierte die Zeitung auch Vertreter der Heerespioniere, die an den Dämmen arbeiten. Sie bestritten allerdings zugleich, dass minderwertiges Material verwendet werde.

"Sicherheit, die nicht existiert"

Die Expertengruppen weisen unterdessen darauf hin, dass sogar nach den geplanten zusätzlichen Verstärkungen die Dämme allenfalls einem Hurrikan am unteren Ende der Kategorie 3 standhalten würden. "Katrina" hatte das Land als starker Wirbelsturm dieser Kategorie erreicht. "An keiner Stelle sind die Dämme so stark, dass sie einen ähnlichen Test (wie Katrina) bestehen würden", zitiert die Zeitung Ivor van Heerden, der eine der unabhängigen Gruppen leitet - ein Team, das vom Staat Louisina mit der Untersuchung der Gründe für die Dammbrüche beauftragt wurde. Es werde versucht, ein Gefühl der Sicherheit zu erzeugen, "die nicht existiert".

Immer noch Hurrikan-Tote in New Orleans

Sechs Monate nach dem verheerenden Wirbelsturm "Katrina" an der Südküste der Vereinigten Staaten werden noch immer Tote aus zerstörten Häusern geborgen. Feuerwehrleute mit Leichenspürhunden entdeckten am Montag in einem bereits Monate zuvor durchsuchten Haus ein weiteres Opfer, wie der Leiter der Feuerwehr-Sondereinsätze, Steve Glynn, sagte.

Wegen des starken Verwesungszustandes konnte demnach selbst das Geschlecht der Leiche bisher nicht festgestellt werden. Seit der Wiederaufnahme der Suche am vergangenen Freitag wurden damit bisher zwei Leichen gefunden. Offiziell waren die Durchsuchungen in New Orleans am 3. Oktober eingestellt worden. 972 Tote wurden bis zu diesem Zeitpunkt geborgen. Mindestens 131 weitere Leichen kamen später noch hinzu. Die Feuerwehr hatte die Suche noch bis Dezember fortgesetzt. (APA/dpa)