AK-Präsident Herbert Tumpel tritt für eine andere Politik in der EU ein, eine Politik, bei der sichtbar und vor allem spürbar wird, dass es nicht nur um die Interessen einiger großer, exportorientierter Unternehmen geht, sondern um die Lebensinteressen der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger der EU. Blanker Anti-EU-Populismus?

Nur zwei kleine Hinweise: in den vergangenen zehn Jahren wurden zahlreiche Dienstleistungen, die zuvor vielfach durch staatseigene Unternehmen oder durch den Staat selbst erbracht wurden teils aus der staatlichen Verwaltung ausgegliedert, teils liberalisiert. Ziel waren billigere Preise für die Bezieher und mehr Wettbewerb unter den Anbietern. Beliebtestes Erfolgs-Beispiel dafür ist der Telekombereich. Hintergrund dieser EU-Politik der Liberalisierung und der Forcierung des Wettbewerbs war unter anderem die Überzeugung, dass die staatseigenen Betriebe nicht kostenoptimal arbeiten und im Übrigen auch kaum dazu gezwungen werden könnten. Der Effekt? Es gibt mehr Wettbewerb, Handy-Telefonie hat sich sehr rasch ausgebreitet und ist relativ preiswert.

Aber was bedeutet es, wenn vorige Woche Vodafone bekannt gibt, dass sie nun 41 Milliarden Euro abschreiben werden? (Es handelt sich um einen Teil des Kaufpreises für Mannesmann.) Die müssen nicht, die können innerhalb eines Geschäftsjahres 41 Mrd € abschreiben, ohne dass das das Unternehmen beschädigt. Hat man Vodafone zwingen können, kostenoptimal zu arbeiten? Wird man es können?

Weniger beliebt ist das Beispiel der Energiewirtschaft, insbesondere der Stromwirtschaft. Da ist es durch die Liberalisierung tatsächlich für die großen Abnehmer billiger geworden aber für die kleinen Konsumenten in aller Regel teurer oder bestenfalls gleich geblieben. Kurz: Wem hat diese Politik primär genützt?

Anderes Beispiel: Vor knapp drei Wochen hat das Europäische Parlament die sog. Dienstleistungsrichtlinie in erster Lesung beschlossen und dabei die schlimmsten Auswirkungen dieses Versuchs, den europäischen Binnenmarkt für Dienstleistungen zu Lasten der kleinen Unternehmen und der Arbeitnehmer in den wohlhabenderen Mitgliedsstaaten der EU zu liberalisieren, entschärft. Jetzt kämpft die europäische Vertretung der großen Unternehmen dafür, dass die Liberalisierung doch lieber nach dem brutalen Muster des Bolkestein-Vorschlages erfolgen soll. Und die kleinen und mittleren Unternehmen, der sog. Mittelstand, ist gar nicht eigenständig vertreten. Weil er auf europäischer Ebene an UNICE, die Vertretung der Großen, gebunden ist, weil die Vertretung der Kleinen bloß am Schoß der Großen dabei sein darf.

EU-Populismus? Nein. Eine Beschreibung des Ist-Zustandes. Daher braucht es Änderung, einen Kurswechsel. Reallohnsteigerungen für die Masse der Beschäftigten., Eine Ende des ständigen Geredes von notwendigen Strukturreformen zu Lasten der Masse der Beschäftigten, Wiederaufbau von Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung. Politik, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.