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Alles paletti am Arbeitsmarkt oder nicht? Schon in dieser einfachen Frage scheiden sich die Geister.

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Wien - So unterschiedlich wie die Diagnose waren auch die Rezepte, die bei der ORF-Diskussion "Offen gesagt" Sonntag abend zum Thema "Kein Ende der Jobkrise?" präsentiert wurden. Während Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein ohnehin eine "Entspannung" am Arbeitsmarkt sowie "Rekordbeschäftigung" konstatierte, da die Politik der Bundesregierung greife, kritisierte ÖGB-Vizepräsidentin Renate Csörgits, dass rund 500.000 Menschen im Jahr von Arbeitslosigkeit betroffen seien und die Regierung zu wenig dagegen sowie gegen die damit verbundene steigende Armut in Österreich unternehme.

Geringes Wirtschaftswachstum

Wifo-Chef Karl Aiginger ortet eine Verschlechterung der Lage am österreichischen Arbeitsmarkt im EU-Vergleich. Er sieht die Ursache für die steigende Arbeitslosigkeit in zu geringem Wirtschaftswachstum, denn erst ab 2,5 Prozent Wachstum jährlich gehe die Arbeitslosigkeit zurück. "Man kann Leute am Arbeitsmarkt hin- und herschieben, aber es wird nicht mehr Beschäftigung geben wenn das Wachstum nicht höher ist", so der Wirtschaftsforscher. Arbeitszeitverkürzung lehnte er als "dirigistische Maßnahme" ab, hingegen könnte eine Verringerung der Lohnnebenkosten im Niedriglohnbereich eine Verbesserung der Jobsituation bringen, so Aiginger. Minister Bartenstein kann sich eine "Einschleifregelung" für Sozialversicherungsbeiträge im Niedriglohnbereich durchaus vorstellen.

Arbeitslosengeld als Ursache?

Die Höhe des Arbeitslosengeldes - 55 Prozent vom Nettoverdienst des vergangenen Jahres - sei jedenfalls nicht der Grund für die steigende Arbeitslosigkeit, so der Vorstandschef des Arbeitsmarktservice (AMS), Herbert Buchinger. In Österreich sei der Anreiz für Arbeitslose höher, Arbeit anzunehmen, als in anderen Ländern, etwa in Deutschland. Auch würden hierzulande Beschäftigte mehr pfuschen als Arbeitslose, so der AMS-Chef.

BZÖ-Sozialsprecher Max Walch kritisierte, dass das AMS trotz hoher Arbeitslosigkeit in Österreich bei Rekrutierungen von deutschen Arbeitskräften mithelfe. Buchinger entgegnete, dass noch immer mehr Österreicher in Deutschland arbeiteten als Deutsche in Österreich. Das AMS solle die Arbeitslosen nicht verwalten oder auf Schulungen schicken, sondern vermitteln, forderte Walch.

Modell für den Tourismus

Ein Modell zur Verlängerung der Beschäftigung im saisonabhängigen Tourismus präsentierte Elisabeth Gürtler, Vizepräsidentin der Hoteliersvereinigung: Statt vorübergehend arbeitslos gemeldet zu werden, sollten zumindest einige Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden und etwa Reparaturen durchführen oder sich in Schulungen bilden. Das AMS sollte einen Teil der Lohnkosten übernehmen - trotz aufrechter Beschäftigung. AMS-Chef Buchinger sieht darin jedoch eine EU-widrige Subventionierung einer Branche und verwies auch auf "Mitnahmeeffekte" bei den Unternehmen. Wirtschaftsforscher Aiginger schlug angesichts von über 100.000 Arbeitslosen mit Wiedereinstellungszusage eine differenzierte Beitragsbelastung vor: "Jene Betriebe, die das AMS öfter nutzen, sollen einen höheren Beitrag zahlen, jene die das nicht tun, einen Bonus bekommen."

Steuerentlastung

ÖGB-Vize Csörgits forderte die Anhebung des Arbeitslosengelds, eine Steuerentlastung für kleine und mittlere Einkommen sowie Infrastrukturinvestitionen um die Wirtschaft anzukurbeln. Durch mehr Kinderbetreuungsplätze könnten mehr Frauen Beruf und Familie vereinbaren bzw. von Teilzeit auf Vollzeit umsteigen. Für eine faireres Geschlechterverhältnis bei Teilzeit sprach sich auch Aiginger aus, da derzeit in Österreich Teilzeitbeschäftigte überwiegend Frauen sind. Bartenstein hingegen verwies auf eine Umfrage, wonach 80 Prozent der Teilzeitbeschäftigten keine Aufstockung auf Vollzeit wünschten. Als sein Rezept gegen die Arbeitslosigkeit nannte der Minister "Flexicurity", die Kombination von Flexibilität mit sozialer Sicherheit. Die Arbeitnehmer müssten eben "Weltklasse" in Leistungsfähigkeit und Flexibilität sein, forderte der Wirtschafts- und Arbeitsminister.