Oskar Lafontaine denkt wieder einmal weit voraus. "Nicht einmal im Traum" male sich die Linkspartei eine Zusammenarbeit mit der SPD nach der Bundestagswahl 2009 aus, ließ der Fraktionschef im Bundestag gerade wissen. Doch möglicherweise wird sein linkes Bündnis gar nicht mehr in die Verlegenheit kommen, darüber grübeln zu müssen. Denn bei den Linken in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern gibt es starke Absetzbewegungen.

Noch vor fünf Monaten herrschte bei Deutschlands Linken eitel Sonnenschein. Die ostdeutsche PDS und die westdeutsche, von frustrierten SPD-Exilanten gegründete "Wahlalternative Arbeit & Soziale Gerechtigkeit" (WASG) zogen mit 8,7 Prozent der Stimmen noch vor den Grünen als viertstärkste Kraft in den Bundestag ein. Dort bilden sie als "Die Linke" eine Fraktion - und diese Beziehung soll 2007 in einer echten Hochzeit münden. Dann wollen die beiden fusionieren und den gemeinsamen Namen Linkspartei tragen, den die PDS jetzt schon verwendet.

Die PDS hat sich auf einem Parteitag im Sommer schon dafür ausgesprochen. Bei der WASG werden die rund 13.000 Mitglieder vom heutigen Montag an in einer Urabstimmung um Zustimmung gebeten, der Bundesparteivorstand drängt auf Fusion.

Pikanterweise sind auch die 850 Mitglieder des Berliner WASG-Verbandes gerade zu einer Urabstimmung aufgerufen. Sie aber sollen, einem Wunsch des Landesparteivorstandes folgend, bis zum morgigen Dienstag genau das Gegenteil beschließen: dass sie bei der Landtagswahl im September gegen die Linkspartei/PDS antreten und nicht mit ihr. Ähnlich separatistische Bewegungen gibt es in Mecklenburg-Vorpommern, wo eine solche Urabstimmung für April erwartet wird.

In diesen beiden Bundesländern sitzt die Linkspartei (vormals PDS) seit Jahren mit der SPD in der Regierung und vollzieht dort deren "neoliberale" Politik. So zumindest sieht es die WASG. "Wir wollen keine Partei, die sonntags vom Sozialismus redet und montags Sozialabbau betreibt", klagt Lucy Redler von der Berliner WASG.

"Sektierer" nennt Lafontaine die Abtrünnigen. Lothar Bisky, Chef der Linkspartei, gibt zu: "Die Gesamtsituation ist ernst." Er fürchtet um den Fraktionsstatus der Linkspartei im Bundestag. Zwar könnten die 34 Abgeordneten der Linkspartei auch ohne die 17 WASGler eine Fraktion bilden. Aber die Geschäftsordnung des Bundestags erlaubt die Bildung einer gemeinsamen Fraktion nicht, wenn sie aus Parteien besteht, die in einem Land im politischen Wettstreit stehen. Sollte die WASG tatsächlich bei der Berliner Wahl als eigene Gruppierung antreten, wollen die CDU und die FDP ihre Juristen einschalten. (DER STANDARD, Print, 6.3.2006)