Hilfe ist gut und nötig, aber beträchtliche Geldflüsse können speziell in Gebieten mit sehr ursprünglichen Kulturen auch erheblichen Schaden anrichten. Wie soll also Tsunami-Opfern der Andamanen-Nikobaren-Inselgruppe (früher österreichische Kolonie) geholfen werden, ohne die gefährdeten Kulturen der Urbevölkerung weiter zurückzudrängen?

Ein nun startendes Projekt des Instituts für Soziale Ökologie der Fakultät für interdisziplinäre Forschung (IFF) der Uni Klagenfurt, gefördert vom Wissenschaftsfonds, setzt auf wissenschaftliche Untersuchungen, um den Inselbewohnern Optionen für eine nachhaltige Zukunft aufzuzeigen. Diese sollen dabei auch gleich vor der nächsten drohenden Gefahr geschützt werden: vor unkontrollierter Hilfswelle. Ziel ist es, aufbauend auf Analysen der Landnutzung, der Material- und Energieverwendung sowie der Entscheidungsstrukturen der Einheimischen den Inselbewohnern beim Wiederaufbau zu helfen. Die wissenschaftlichen Ergebnisse des Projekts werden vor allem benötigt, um eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten, die die Bedürfnisse der Eingeborenen und die sozialökologische Verträglichkeit berücksichtigt. Die von außen kommende Hilfe, die nach dem Tsunami angelaufen ist, soll die Kultur der Urbevölkerung wieder beleben und ihr nicht noch weiteren Schaden zufügen.

Mit an Bord des von Marina Fischer-Kowalski geleiteten Teams ist Simron Jit Singh, der die Inseln seit Jahren beforscht: "Bis zum Tsunami lebten die Stämme der Andamanen- und Nikobaren-Inseln als eines der abgeschiedensten Völker der Welt. Mit der Flutwelle wurde nicht nur mindestens ein Drittel der Inselbewohner getötet und die Inseln zerstört. Auch Totems, traditionelle Bekleidung und Festplätze, die für die Urbevölkerung identitätsstiftend waren, wurden ihnen vom Meer genommen. Teile ganzer Generationen mit Wissen über Riten und Fähigkeiten sind ausgelöscht." Die Situation noch verschlimmern könnten jetzt Hilfsleistungen aus einer fremden, modernen Welt. Beträchtliche Geldzuflüsse können katastrophale Konsequenzen für die Kultur dieser Menschen haben, die sich bisher durch Fischerei, Jagd, Pflanzenanbau und Handel mit Kokosnüssen selbst erhalten haben. Hilfsleistungen, die nicht zur Wiederherstellung der ursprünglichen Lebensart beitragen, drohen die Stammesmitglieder weiter zu entwurzeln.(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 4./5. 3. 2006)