Im Kinderbüro der Uni Wien werden die Kleinsten auch stundenweise betreut, während die Eltern im Nebenzimmer Diplomarbeit schreiben. Fachhochschulen haben in puncto Vereinbarkeit von Kind und Karriere noch viel nachzuholen.

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Wien/Graz – Unter einem Hochbett räumt der kleine Johannes begeistert die Küche auf. Am Spielteppich fährt eine Brio-Eisenbahn, und dahinter, in einer Kuschelecke, wird den Jüngsten vorgelesen. Tür an Tür zu ihren Kleinsten schreiben Mütter und Väter im Elternzimmer an ihren Seminar- oder Diplomarbeiten. "Unser Ziel ist es, die Not zu lindern und Eltern für andere Tätigkeiten freizuspielen", beschreibt Projektleiterin Karoline Iber stolz das flexible Angebot des Kinderbüros an der Uni Wien. Schon Säuglinge können stundenweise betreut werden, Studenten zahlen für zwei Stunden fünf, Uni- externe Eltern zwölf Euro.

Renate Jonke gefällt das Konzept, "zumal es neben Jona unmöglich ist zu lernen. Er liest die Bücher vor mir fertig", erklärt die Mutter lachend, während sie dem Einjährigen Brokkoli-Brei füttert. Neben dem Studium nicht zu arbeiten, wäre für sie unvorstellbar. "Mit dem Kindergeld könnte ich nicht einmal die Miete bezahlen."

Von sozialen Härtefällen weiß auch Iber zu berichten. Gerade zu Semesterbeginn, wo die Studiengebühren fällig sind, würden Eltern oft um Aufschub des Betreuungsgelds bitten.

Während für die rund 25.000 studierenden Uni-Eltern (elf Prozent) die Kinderbetreuung an das Studium angepasst wird, weisen Fachhochschulen gerade in diesem Punkt Defizite auf. "Obwohl wir die FHler nicht vertreten dürfen, beklagen sich immer wieder studierende Eltern bei uns, bei Aufnahmsprüfungen benachteiligt zu werden", benennt ÖH-Sozialreferent Georg Hubmann ein Problem. An einigen Standorten werde man bei der Angabe, Kinder zu haben, nicht aufgenommen.

"Schlechtes Image"

"Was soll das der Fachhochschule bringen außer schlechtes Image?", zeigt sich Kurt Koleznik, Generalsekretär der Fachhochschulkonferenz, auf UNISTANDARD- Anfrage, verärgert. Die FHs würden um jede "Studentenseele" kämpfen.

Auch Böhler-Uddeholm-Chef und Fachhochschulratsvorsitzender Claus Raidl ist empört: "Das wäre eine total unzulässige Diskriminierung, die ich ablehne." Allein die Frage nach der Familiensituation sei unzulässig. "Wenn sich betroffene Studenten an mich wenden, werde ich dem jedenfalls nachgehen", verspricht Raidl, der gleichzeitig befürchtet, "dass das eine betroffene Fachhochschule nicht zugeben würde."

Warum es an Fachhochschulen keine Kindergärten gibt, begründet Koleznik mit dem fehlenden Bedarf: "Der Normstudierende beginnt mit 18. Und für jene, die am Wochenende Kurse haben, ist Kinderbetreuung kein Thema." Laut dem jüngsten Studierendensozialbericht aus 2002 haben dennoch 9,5 Prozent der Fachhochschüler Kinder zu erhalten. "Wir können die FHs nicht zwingen, Kindergärten zu errichten", argumentieren Koleznik und Raidl unisono.

Vier Grazer Joanneum-Studenten versuchen mit ihrer Wohninitiative "WohIn" die Rahmenbedingungen zu ändern. In einem Haus nahe dem Uni-Viertel sollen acht Alleinerzieher von 18 älteren Mitbewohnern in der Kindererziehung unterstützt werden. "Die öffentlichen Kindergärten haben weder abends noch am Wochenende offen. Alleinerzieher brauchen dringend Unterstützung durch ein Netzwerk", sagt Initiatorin Barbara Porotschnig.

Dem Projekt – dessen Finanzierung nicht gesichert ist – geht eine Studie voraus, bei der Porotschnig, selbst Mutter, mit "unvorstellbaren" Lebenssituationen konfrontiert war: "Es ist schlimm, dass es in einem reichen Land wie Österreich Studenten gibt, die mit ihren Kindern im Wohnwagen hausen und sich überlegen müssen: ,Kauf ich jetzt Heizöl, was zum Essen oder zum Anziehen?'" (DER UNISTANDARD, Printausgabe, 2.3.2006)