Mumbai/Wien - Hoffnungen auf zweistellige Wirtschaftswachstumsraten und massive Kapitalzuflüsse durch ausländische Investmentfonds haben dem Kapitalmarkt in Indien 2005 zu einem Boom verholfen, der weiter anhält. Im Februar 2006 nahm der Sensex-Index der 30 größten börsenotierten Titel des Subkontinents an der mittlerweile fast 130 Jahre alten Börse von Mumbai einen Rekord nach dem anderen. Der Index hat sich in drei Jahren verdreifacht. 10,7 Mrd. US-Dollar netto haben ausländische Investoren allein im Jahr 2005 in indische Aktien investiert.

Ausländisches Kapital dürfte weiter nach Indien strömen, die Blue Chips sind stark gefagt, obwohl der Raum schon als einer der teuersten Schwellenländer-Aktienmärkte gilt und in diesem ambivalenten Markt auch finanztechnische (Zinsen) und politische Risiken lauern.

Nationale indische Fonds investierten im Vorjahr für 2,6 Mrd. Dollar in indische Börsetitel. Grund für die Zurückhaltung der einheimischen Retail-Investoren: Wer Geld hat, lässt es in den Konsum fließen, sagt Cyrus Golpayegani, Manager des "Eurasien"-Aktienfonds von Raiffeisen. Das Land selbst ist bei weitem noch nicht reich genug.

Beflügelte Fantasie in Mumbai

300 Millionen der mehr als einer Milliarde Inder leben in bitterer Armut, ebenso 300 Millionen werden der neuen "Mittelklasse" zugerechnet. 70 Prozent der Menschen sind jünger als 35 Jahre. Das Durchschnittsalter liegt gar bei 25 Jahren. Die Jugend ist, so sie irgend Geld hat, extrem konsumhungrig. Zugleich stehen Milliardeninvestitionen der Konzerne der Stahl- und der Erdölindustrie an. Börsenotierte Banken begeben mit milliardenschweren Kapitalerhöhungen junge Aktien, um das rasante Konsumkreditwachstum zu unterlegen. Zig-Milliarden Dollar verschlingt der Ausbau von Häfen, Flughäfen und Straßen, um den Infrastruktur-Kollaps abzuwenden. Auch das beflügelt die Phantasie der Börsianer für Mumbai.

85 Prozent des Streubesitzes werden aktuell von ausländischen Investoren gehalten. Besonders viel Geld dürfte in nächster Zeit aus der "Petrodollar"-Region fließen. Der Securities & Exchance Board of India (Börseaufsicht) hat vor wenigen Wochen angekündigt, den stark regulierten Kapitalmarkt zu reformieren, den Markt für Auslandsinvestoren weiter aufzumachen. Um direkt in Börsetitel in Mumbai zu investieren, brauchen internationale Fonds den amtlichen Status als Auslands-Investor, sonst geht das nur über Surrogate.

Indien als Schwerpunkt

Raiffeisen Capital Management (RCM), die Fondsgesellschaft der Raiffeisen-Bankengruppe, hat Indien als einen der drei Schwerpunkte im "Eurasien"-Fonds. Im Portfolio sind seit Mitte 2005 indische Titel, im letzten dreiviertel Jahr ist der Fonds von 100 Mio. Euro auf jetzt 600 Mio Euro explodiert. In dieser Größenordnung gehe es nicht mehr an, nur über Surrogate in Indien investiert zu sein. Der Auslands-Investoren-Status wurde beantragt. Die Genehmigung wird in wenigen Monaten, bis Frühsommer, erwartet.

Indische Aktien gelten bereits als recht teuer, auch innerhalb Asiens. Zuletzt wurden die Aktien im Mumbaier Sensex-Index zum 17,6-fachen des erwarteten Gewinns gehandelt. Die Korrektur kann kommen, glaubt man bei Raiffeisen. Für den ambivalenten Markt würden bewusst Prämien bezahlt. Noch sei nicht einmal die Hälfte des Kapitals, das nach Indien will, auf diesem Markt gelandet, sagen Experten.

Bank-Aktien gelten zu den Stars an der Börse von Mumbai. Ende 2005 hat die zweitgrößte Geschäftsbank Indiens, die ICICI Bank, ihr Kapital erhöht. Es war eine der größten Emissionen aller Zeiten. Zuvor hatten 2005 bereits andere indische Banken kräftig Kapital aufgestockt.

Reliance mit IPO

Vor einem IPO in den nächsten Monaten steht der Erdöl- und Mischkonzern Reliance Group für seine Petrochemie-Sparte. Reliance hat nach dem Streit zwischen zwei rivalisierenden Brüdern um die Kontrolle der Firma gerade eine Trennung des Telekom- und Medienbereichs vom dominierenden Energiebereich hinter sich, was als Hintergrund für die Kapitalmarkttransaktion gewertet wird. Reliance ist eine der großen Einzel-Positionen im "Raiffeisen-Eurasien-Aktienfonds". Der Stahlriese Mittal ist nicht enthalten. Man müsse nicht mit der Masse gehen, heißt es bei RCM.

An einen eigenen Indien-Fonds denkt man bei Raiffeisen Capital derzeit nicht. Ebenso wenig an einen eigenen China- oder Russland-Fonds. Lieber wolle man regional das Risiko streuen: Im Euroasien-Fonds sind Indien, China und Russland mit je 30 Prozent gewichtet, zu 10 Prozent noch die Türkei. RCM-Chef Mathias Bauer sieht Indiens Investmentstory derzeit "mindestens so interessant wie China." (APA)