Brüssel - Nach mehrjährigem Streit wird die EU-Kommission jetzt das Defizit-Strafverfahren gegen Deutschland verschärfen. Damit reagiert Währungskommissar Joaquin Almunia darauf, dass Deutschland in diesem Jahr zum fünften Mal in Folge die Maastrichter Defizit-Grenze von drei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt überschreiten wird.

Die Entscheidung, die an diesem Mittwoch in Brüssel getroffen wird, dürfte vor allem darin bestehen, Berlin offiziell "in Verzug zu setzen", sagten EU-Diplomaten. Die deutsche Regierung müsste dann innerhalb von vier Monaten mitteilen, welche Maßnahmen sie gegen das Haushaltsdefizit ergreifen will. Die EU-Finanzminister sollen die Verschärfung am 13./14. März in Brüssel offiziell absegnen.

Voraussichtliche Einhaltung der Grenze erst 2007

Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück hat bereits erklärt, dass die Bundesregierung sich der Verschärfung des Defizitverfahrens nicht widersetzen will. Im laufenden Jahr will er ein Defizit von 3,3 Prozent nach Brüssel melden. Im vergangenen Jahr lag es ebenfalls bei 3,3 Prozent, niedriger als ursprünglich erwartet. Erst 2007, wenn in Deutschland die Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent erhöht wird, soll die Defizitgrenze wieder eingehalten werden.

Das Defizitverfahren war im November 2003 nach einer harten Auseinandersetzung zwischen Steinbrücks Vorgänger Hans Eichel und der Kommission auf Eis gelegt worden. Es schloss sich ein Rechtsstreit vor dem Europäischen Gerichtshof an, der die Situation aber nicht klar entschied. Rund die Hälfte der 25 EU-Staaten sind mit Defizit-Strafverfahren konfrontiert.

Aufweichung des Stabilitätspaktes

Steinbrück hatte vor zwei Wochen erklärt, die Bundesregierung rechne mit einer Verschärfung des Verfahrens. "Die Kommission hat das Interesse, den Stabilitätspakt am Beispiel Deutschland zu stärken. Wenn sie es nicht täten, dann wären die verrückt." Er hoffe aber, für Deutschland "Konditionen und eine Darstellung zu bekommen, die für uns vorteilhaft ist". Die Bundesregierung hatte in der Vergangenheit stets argumentiert, der Stabilitätspakt berücksichtige weder die besondere Belastung durch die Wiedervereinigung noch die hohen Beitragszahlungen an die Europäische Union. Im vergangenen Jahr war der Stabilitätspakt nach massivem deutschen Drängen gelockert worden.

Wird die Bundesregierung - wie erwartet - "in Verzug gesetzt", so zieht dies lediglich die Informationspflicht über konkrete Maßnahmen gegen das Defizit nach sich. Hält die Kommission diese für ausreichend, so kann sie die Bußprozedur ruhen lassen. Sollte Deutschland jedoch 2007 erneut die Drei-Prozent-Grenze überschreiten, so drohen Sanktionen. Für diesen Fall sind "Geldbußen in angemessener Höhe" vorgesehen: Im schlimmsten Fall drohen Strafen von rund zehn Milliarden Euro. (APA/dpa)