Wien - Die Reihe "Filmeuropa Babylon" macht ab Donnerstag (2.3.) im Metro Kino im Rahmen des März-Programms des Filmarchiv Austria mit einem Phänomen der Mehrsprachen-Versionen bekannt, die in den 1930er Jahren im Zug der Durchsetzung des Tonfilms entstanden. "Sex is Cinema" zeigt von 10. März bis 3. April Kino im Zeichen von Tabubruch und Aufklärung mit Schwerpunkt auf der Zwischenkriegszeit.

Adaptionen

Die Mehrsprachen-Versionen, die zugleich mit oder kurz nach der Originalfassung gedreht wurden, gingen speziell auf die Anforderungen des jeweiligen Zweitmarktes ein. Meist wurden zumindest die Hauptrollen mit Schauspielern aus den Zielländern besetzt, daneben berücksichtigte auch die Handlung oft Sehgewohnheiten und nationale Vorlieben. So wird etwa die französische Variante von "Blotto" ("Une nuit extravagante") mit Stan Laurel und Oliver Hardy, denen zum Abschluss der Reihe am 9. März ein kleines Special gewidmet ist, um zusätzliche Sequenzen im Nachtclub angereichert.

Die polyglotte Lilian Harvey, die mehr als jeder andere Ufa-Star in Versionenfilmen eingesetzt wurde, ist mit Henri Grat in der französischen Version von "Ihre Hoheit befiehlt" (mit Willy Fritsch und Käthe von Nagy) zu sehen, die als Doppel-Feature am 7. März gezeigt werden. Und in der französischen Fassung von "Der Tunnel", dem letzten deutschen Film von Kurt Bernhardt vor seiner Vertreibung durch die Nazis, wird zwar Hauptdarsteller Paul Hartmann als Architekt mit utopischen Ideen von Jean Gabin ersetzt, Gustaf Gründgens als Intrigant ging jedoch in beiden Ländern durch.

Im Rahmen der Reihe "Faszination Filmarchivierung" präsentiert am 8. März der Leiter des Münchner Filmmuseums, Stefan Drößler, ein Programm mit seltenen deutschsprachigen Versionen von US-Produktionen der Jahre 1930 bis 1932, die nicht selten Dinge zeigen, die von der amerikanischen Zensur für das eigene Land nicht zugelassen wurden.

Sittenbilder

Homosexualität, Frauenemanzipation, Abtreibung und Prostitution waren zentrale Themen einer wahren Welle von oft spekulativen Sitten- und Aufklärungsfilmen, mit denen das Kino auf die militärische Disziplinierung der Kriegsjahre bis 1918 reagierte, und in denen Asta Nielsen, Lya de Putti, Louise Brooks, Brigitte Helm, Marlene Dietrich oder Anita Berber zu Superstars avancierten. "Sex is Cinema" zeigt etwa Klassiker wie G.W. Pabsts "Tagebuch einer Verlorenen", "Die freudlose Gasse" und "Die Büchse der Pandora" nach Wedekind, Josef von Sternbergs "Der blaue Engel" oder Gustav Machatys "Extase" mit Hedy Kiesler.

Die Retrospektive macht auch sozialgeschichtliche Entwicklungen deutlich. So präsentiert ein Doppel-Feature Jean Genets Schwulenkultfilm "Un chant d'amour" (1950) gemeinsam mit Richard Oswalds Streifen "Anders als die anderen" (u.a. mit dem Sexualforscher Magnus Hirschfeld in der Rolle des aufklärerischen Mediziners), der 1919 weltweit erstmals gegen den deutschen Paragraphen 175 Stellung bezog, der homosexuelle Kontakte unter Strafe stellte. Als repressives Gegenstück dazu steht Veit Harlans "Anders als du und ich (§175)" aus dem Jahr 1957 auf dem Programm, der Oswald als Vorlage benutzt hatte. Leontine Sagans "Mädchen in Uniform" von 1931 wird das etwas entschärfte Remake von 1958 mit Lilli Palmer und Romy Schneider gegenüber gestellt, und Oswalds "Alraune" von 1930 mit Brigitte Helm als unheilvoller Femme Fatale die Version von Arthur Maria Raben (1952) mit Hildegard Knef und Karlheinz Böhm. (APA)