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Die beiden Regierungschefs Laszlo Solyom und Vladimir Putin genehmigten sich einen Panoramablick über das vernebelte Budapest.

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Putin bei der Eröffnung einer Ausstellung mit zurückerstatteten Büchern in Budapest.

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Kaum eine Flugverbindung ist ausgebuchter als die von Moskau nach Prag. Seit Jahren ist Tschechien eine der Lieblingsdestinationen für Russen. Luxusorte wie Karlsbad, wo sich die Elite der russischen Wirtschafts- und Politik tummelt, wurden fast zur Gänze von Russen aufgekauft.

Auf tschechischer Seite reagiert man mittlerweile gelassen. In den 90er Jahren war die russische Karte noch ein Politikum, heute wird sie von keiner Partei mehr gezückt. Als "russische Gefahr" diskutiert man gegenwärtig nur die vermutete Geldwäsche durch die neureichen Stammgäste. Und seit dem Abgang Václav Havels pocht auch Tschechiens Staatsführung nicht mehr auf die Einhaltung der Menschenrechte in Russland.

Prager Frühling

Angesichts der pragmatischen Gastfreundschaft von Präsident Vaclav Klaus fiel es denn auch Russlands Präsident Vladimir Putin am Mittwoch in Prag nicht schwer, eine moralische Verantwortung seines Landes für den Einmarsch in die Tschechoslowakei im Jahr 1968 einzuräumen. Eine "rechtliche Verantwortung" für die Niederschlagung des "Prager Frühlings" lehnte er erwartungsgemäß ab. Darauf hat Klaus auch nicht gepocht. Er sei froh über Putins Worte, meinte er: "Die Vergangenheit darf Gegenwart und Zukunft nicht belasten".

Dass zumindest die Gegenwart die Zukunft belastet, äußerten indes Havel und andere Politprominente in einem Brief an die G-8-Staaten. Sie fordern, dass das Thema Tschetschenien beim Gipfel in Petersburg diskutiert wird. Putin, als erster Kreml-Chef nach dreizehn Jahren auf Staatsbesuch in Tschechien, hatte wie bei allen Reisen in jüngster Vergangenheit das Energiethema als außenpolitische Trumpfkarte im Gepäck.

Auch in Tschechien, das 75 Prozent seines Gases aus Russland bezieht, wies er Zweifel an der Verlässlichkeit seines Landes zurück: In dem Maße, wie Europa die Abhängigkeit von Russland fürchte, müsse Russland diese auch umgekehrt fürchten, hielt er fest. Klaus stärkte Putin den Rücken wie kaum ein westlicher Staatschef zuvor: Die Energiefrage gehöre "entpolitisiert", meinte er. Es gehe nicht an, dass einige in Europa den Import von Gas und Strom kritisieren und gleichzeitig. Einen Tag zuvor in Ungarn, betonte Putin, dass erst innenpolitische Veränderungen eine Entspannung mit Russland ermöglichten.

Respekt und Liebe

Was Regierungschef Ferenc Gyurcsany im Unterschied zu den vorherigen rechtsgerichteten Regierungen über die Russen begriffen habe, legte die ungarische Zeitung Népszabadság dar: "Wenn du es (Russland) respektierst, wird es dich lieben. Wenn du korrekt bist, ist es großzügig."

Das bestätigte Putin, der die jetzige Rückgabe der – im Zweiten Weltkrieg geraubten – wertvollen Buchsammlung von Sarospatak Ungarns politischer Korrektheit zuschrieb. Putin räumte auch Russlands moralische Verantwortung für die Niederschlagung des Aufstandes 1956 ein. Auch Gyurcsany richtete den Blick nach vorn: "Die moralische Verantwortung darf uns nicht die Hände und Beine fesseln", meinte er. Fazit: Geplant wird in Ungarn ein Verteilerzentrum für russisches Gas. Ungarn bezieht 90 Prozent seines Gas- und 45 Prozent seines Ölbedarfs aus Russland. (DER STANDARD, Print, 3.3.3006)