Wien - Mit den jungen Tiroler Zwillingsbrüdern Andreas (dr) und Matthias (b) Pichler hat der österreichische Jazzgitarrist Wolfgang Muthspiel vor rund zwei Jahren ein neues Trio gegründet. Und mit dem ersten, am Freitag (3. 3.) in den Plattenhandel kommenden Longplayer "Bright Side" (material records) ist dem Trio gleich ein schöner Wurf gelungen. Zu hören sind "richtige" Songs, die melodiöser und leichter zugänglich sind als vieles, das der Virtuose in früheren Jahren abgeliefert hat und wo "absolut Raffinesse herrschen musste", wie Muthspiel schilderte.

So finden sich neben einer Charles Mingus-Nummer ("East Coasting") acht Eigenkompositionen, die "vielleicht unspektakulärer, aber mehr meine Welt sind", so Muthspiel. Bei den Songs, die Muthspiel großteils speziell für das Trio geschrieben hat, geht der Parademusiker neue, alte Wege der Eingängigkeit. "Komplexität ist für mich in keiner Weise eine Wertung mehr. Seit ich 17 war, habe ich keinen so einfachen Song geschrieben wie 'Shanghai'", so Muthspiel über den Song, der durch seine intime Simplizität auf der Scheibe auch sofort zu begeistern weiß.

Zukunft

Und zukünftig könnte es noch weiter in neue Richtungen gehen: Die beiden Pichlers können gepflegten Backbeat und HipHop-Beats spielen - "das groovt sehr, für diesen Aspekt will ich Lieder schreiben", so Muthspiel. Zu hören könnte eine derartige Nummer schon auf der kommenden Tour sein, deren Österreich-Termine am 9. 3. in Salzburg (Oval) starten und die u. a. nach Innsbruck (14. 3.), Wien (27. 3.) und Graz (29. 4.) führt. Danach taucht Muthspiel bei den "mozart loops" ins Jubeljahr ein, "ohne einen Ton Mozart zu spielen", und wirkt bei der Carla Bley-Jazzoper "Escalator Over The Hill" in der Philharmonie Essen mit. Und für danach stellt Muthspiel neue Duokonzerte mit Rebekka Bakken in Aussicht.

"Bright Side" erscheint auf Muthspiels eigenem Label, "material records" - und mit dieser Release konnte das noch junge Label erstmals England als Vertriebsmarkt gewinnen. Dem Label, das Muthspiel wegen der ausschließlich darauf präsentierten Musik mit einem Schmunzeln als "Weltverbesserungsprojekt" bezeichnet, geht es "eigentlich gut". Manches habe zwar kommerziell nicht so gut funktioniert wie erhofft, aber etwa "Amarcord" laufe "sehr gut". Als nächste Release steht eine Live-CD von "beefolk" ins Haus. Und Muthspiel möchte eine neue Linie einführen, bei der er noch unbekannte Künstler vorstellt - dies "muss ich aber noch finanzieren".

A propos finanzieren: Die Förderung von "Bright Side" hat der neu gegründete Österreichische Musikfonds abgelehnt, schilderte Muthspiel. "Da muss es persönliche Animositäten geben", so der Jazzer. Als "fingiert" bezeichnete Muthspiel den Ablehnungsgrund des Fonds: Man unterstütze nur Produktionen, die ohne die Förderung "nicht zu Stande gekommen wären", habe der Fonds, der bisher u. a. neue CDs von Bauchklang, Vienna Art Orchestra oder Naked Lunch gefördert hat, mitgeteilt.

Was im Jazz zuweilen ohnehin unheimlich erscheint, nämlich das blinde, sekundenschnelle Einverständnis der improvisierenden Musiker untereinander, ist bei den Zwillingsbrüdern Pichler "extrem", wie Muthspiel schildert. "Die spielen zusammen, seit sie Kinder sind, haben am Anfang beide Trompete gespielt und einen Volksmusikhintergrund. Auch den Jazz haben sie im Duo entdeckt. Und jetzt sind sie richtig infiziert". Eines ist auf jeden Fall dem empfehlenswerten Album anzuhören: "Bei uns herrscht der Ethos des wirklichen Improvisierens, das zu spielen, das man hört. Und nicht vorgefertigte Sachen abzuliefern. Bei sich zu bleiben ist das Wichtigste". (APA)