"Patriot Act" ist ein Sternenbanner-Hypervaudeville über die infolge von 9/11 beschlossenen Antiterrorgesetze.
Foto: Standard/De Vito
Mit kritischen, aber nicht unwitzigen, hier zu Lande vorwiegend unbekannten Arbeiten aus Amerika, Afrika, Dänemark, Deutschland und der Schweiz behauptet sich die Performance-Sparte des Festivals: Denkakte, Kabarettsprünge und Theaterreisen.


Eine Goldhaube hätte bestimmt auch so einiges zu erzählen, wenn sie in ihrem Aussteuerköfferchen von der einen oder anderen Dame des Hauses zum Sprechen gebracht werden würde.

"Migritude"

Die in Kenia aufgewachsene Inderin Shailja Patel hat natürlich keine Goldhaube, dafür aber achtzehn von ihrer Mutter geerbte Saris. In ihrer Performance "Migritude" bringt sie sie zum "Sprechen". Die mit historischer Bedeutung und Erfahrung aufgeladenen Kleidungsstücke (z. T. aus kolonialer Zeit) umreißen mit einer individuellen Geschichte von Flucht und Migration auch die globale Dimension der indischen Diaspora: die Wanderung der Inderinnen und Inder im frühen 20. Jahrhundert nach Ostafrika, innerafrikanische Vertreibung (ab 1970) sowie Patels eigene Emigration von Afrika nach Europa und in die USA. Mit Kim Cook hat sie eine an alternativen Performanceräumen erprobte Regisseurin zur Seite.

"Patriot Act"

Amerika. Dort, wo Patels Geschichte endet, beginnt jene von Temporary/Industrial Arts alias Toni Silver und Joseph Shahadi. Dass The Lovely and Talented Miss Toni Silver (Selbstbezeichnung) gern mit Witz an die Sachen herangeht, beweisen neben ihrem Namen auch frühere Soloarbeiten (z. B. "A Cab Is Cheaper Than A Funeral"). Und so changiert auch ihr "Patriot Act" zwischen postmodernem Kabarett und Satire. Der infolge der 9/11-Antiterrorkampagnen im amerikanischen Kongress verabschiedete Patriot Act, ein die BürgerInnenrechte grob schmälerndes, das Leben geradezu deformierendes Gesetzespaket, schwingt sich hier zu einem sechzigminütigen "Hypervaudeville" auf, den der Partner der amerikanischen Schauspielerin (ebenso extra-benamst: Saint Joe Shahadi) mit Videokunst angereichert hat.

"the phemale philosopher"

Mit Plum Productions stellt sich eine Konzeptkunstgruppe aus Deutschland vor, die in "the phemale philosopher" die Grundregeln von Philosophie und Performancekunst gegeneinander spiegelt. Petra Lum (30), eine studierte Philosophin und weit gereiste Performerin, erforscht im von Lutz Berkefeld und Christian Gauss unterstützten Solo auf sinnliche Art die Körperlichkeit des Denkens: Gedanken-Gänge in acht Kapiteln.

"Umbral/Threshold" und "This is a story of a woman who ..."

"Trottole", "Trappola per Tristi" oder "Trapitos" heißen ihre Stücke der 80er-Jahre, und sie sollen in ihrem Anfangsreimschema nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Arbeiten der lateinamerikanischen Tänzerin Cristina Castrillo (nun: Teatro delle Radici/ Schweiz) durch Vielseitigkeit auszeichnen. "Umbral/Threshold", der erste Teil des Projektes "Travel's Note", befasst sich mit dem Prozess künstlerischen Schaffens generell. Und schließlich fragt die Dänin Lise Skou in "This is a story of a woman who ..." ganz konkret: Gibt es einen feministischen Diskurs, der von Frauen in Wort und Tat reflektiert wird? Antwort folgt. (Margarete Affenzeller/D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 24.2. 2006)