Die Piraten spielen mit der Musikindustrie nach wie vor Katz und Maus. Für eine zu Tode geklagte, illegale Webseite wachsen zwei Dutzend neue nach. Trotzdem gibt es für korporierte Musikwelt einen Grund zum Frohlocken: 2005 war das erste Jahr, in dem die legalen die illegalen (oder "privaten", je nach Sichtweise) Downloads von Musikdateien übertroffen haben. "Digitaler Verkauf" von Musik wurde - genährt vom Erfolg des Apple-iTunes-Dienstes - erstmals ein ernstzunehmender Bilanzposten: Laut des Verbands der Musikindustrie sind im Vorjahr sechs Prozent des weltweiten Verkaufes über Handys oder Datenleitungen vertrieben worden.

Verglichen mit den Teufelswandmalereien vergangener Jahre ("Copy kills music") ist die Industrie richtig gut gelaunt, gemessen am Ton, der im aktuellen "Digital Music Report 2006" des Branchenverbands Ifpi herrscht: "Vor zwei Jahren hätte niemand den außerordentlichen Zuwachs im digitalen Musikbusiness zu prognostizieren gewagt", schreibt Ifpi-Chairman John Kennedy, "und es wird 2006 weiter signifikantes Wachstum geben."

Die Zahl der aus Sicht der Industrie "Rechte verletzenden Dateien" stagniert. 2003, in der Hochzeit von Kazaa und Konsorten, sollen laut des Internet-Marktforschers Jupiter Research mehr als eine Milliarde Musikstücke über Tauschbörsen angeboten worden sein, seit einem Jahr liegt die Schätzung konstant bei 850 Millionen. Die Industrie meint: "Die rechtlichen Schritte wirken." Bisher seien 19.400 Klagen in 17 Ländern erhoben worden, im Schnitt seien Strafen in Höhe von 3000 Dollar verhängt worden. Alle großen Netzwerke wurden angegriffen: Kazaa, WinMX, Gnutella, eDonkey, Direct Connect, BitTorrent, Bearshare, Soulseek.

Die Plattenfirmen wollen jetzt nach all den Klagen auch einmal positiv aufklären: In Österreich startete die Ifpi beispielsweise die Aktion "Ideen sind etwas wert" in den heimischen Schulen. Doch darauf alleine will man sich nicht verlassen: Der Kopierschutz via Digital Rights Management (DRM) wird gnadenlos vorangetrieben. Darunter versteht man in Summe alle Beschränkungen, die dem braven Käufer beim legalen Erwerb einer Musikdatei auferlegt werden - sei es in Sachen Privatkopie auf CD oder Abspielbarkeit auf mehreren Computern.

Das kann man in Kauf nehmen, weil man die Musikindustrie in ihrer Not versteht. Ärgerlich wird die Sache aber, wenn zum Beispiel technisch verhindert wird, dass eine Datei auf CD gebrannt wird - und die Festplatte crasht. Das traditionell der Musikindustrie kritisch gegenüberstehende Computer-Fachmagazin c't schrieb unlängst etwa: "Für Nutzer bringt DRM in der zurzeit eingesetzten Variante keine Vorteile, aber jede Menge Beschränkungen." Aber man muss zugeben: "Der derzeitige Erfolg kommerzieller Download-Dienste wie Musicload (T-Online Deutschland, Anm.) oder iTunes suggeriert die Akzeptanz bei den Verbrauchern." Fraglich bleibt jedoch, wie viele User wegen des DRM-Allerleis vom legalen Kauf absehen und sich das Musikstück doch lieber auf grauen Wegen besorgen.

Offen ist, wo der ideale Preispunkt liegt, um legale Downloads zu pushen. Apple hat mit 0,99 Cent pro Song derzeit den Industriestandard gesetzt. Plattenfirmenbosse fragen sich heimlich händeringend, ob das nicht viel zu billig sei, da Mr. Steve Jobs mit seinem MusicStore ja vor allem die Verkäufe seines Abspielgeräts iPod pushen will. Der digitale Markt funktioniert erstmals. Es könnte aber sein, dass das Goldene Kalb schon geschlachtet wird, bevor es zur Cash Cow heranwachsen kann. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.2.2006)