Wien - "Haubner allein zu Haus." So charakterisierte der Grüne Sozialsprecher Karl Öllinger am Mittwoch die Situation um die geplante Schwerarbeiterregelung nach dem von Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (V) verlangten Neustart. Geradezu täglich distanzierten sich ÖVP-Politiker vom "Murks" von Sozialministerin Ursula Haubner (V). Die vorliegende Fassung sei nach wie vor "ungerecht, undurchführbar und überbürokratisch".

Neben dem "Riesenproblem", dass Frauen praktisch ausgeschlossen seien, habe auch der übergroße Teil von ehemaligen Schwerarbeitern nichts davon. Jeder ehemalige Schwerarbeiter, der beispielsweise aufgrund gesundheitlicher Probleme nach 34 Jahren seinen Job gewechselt habe und die letzten elf Jahre seines Arbeitslebens einer anderen Beschäftigung nachgegangen sei, wäre kein Schwerarbeiter. Denn diese Person hätte bei einem Pensionsantritt im Alter von 60 Jahren, trotz 45 Versicherungsjahre und trotz 34 Schwerarbeitsjahren keinen Zugang zur Schwerarbeitspensionsregelung, führte Öllinger aus.

SPÖ sieht sich in ihrer Kritik durch Leitl bestätigt

Mit der Forderung von Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl nach einem Neustart der Schwerarbeiter-Regelung bestätigen nach Ansicht von SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures gewichtige Teile der ÖVP de facto die Undurchführbarkeit der von der Regierung geplanten Regelung. "Tatsächlich ist die Regierung Schüssel mit ihrem versprochenen Reparaturversuch der Pensionsregelung gescheitert. Eine praktikable Schwerarbeiterregelung, die die Mehrbelastung schwer arbeitender Menschen entsprechend berücksichtigt, ist weit und breit nicht in Sicht", sagte Bures am Mittwoch in einer Aussendung.

"Kanzler Schüssel scheint taub zu sein", meinte die SPÖ-Bundesgeschäftsführerin unter Verweis auf die Bedenken des Verfassungsdienstes des Bundeskanzleramtes und der Kritik mehrerer Pensionsexperten. Sie warf Schüssel "Ignoranz" und "Handlungsunfähigkeit" vor: "Schüssel ist nicht in der Lage, die versprochene Reparatur der so genannten Pensionsreform, die ohne Rücksicht auf schwer arbeitende Menschen beschlossen wurde, auch nur halbwegs umzusetzen." Dass nun Leitl eine "menschlichere Lösung" einfordere, spreche für sich.

Exekutivgewerkschaften kündigen Sondersitzungen an

Die geplante Schwerarbeiter-Regelung sorgt für Aufregung in den einzelnen Exekutivgewerkschaften. Die Gewerkschaften der Polizei, der Gendarmerie, der Kriminalbeamten und der Justizwache haben am Mittwoch in einer gemeinsamen Aussendung jeweils Sondersitzungen angekündigt. Ob dabei auch über Kampfmaßnahmen geredet werde, wollte der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Franz Pail, (FSG), gegenüber der APA nicht sagen. Zuletzt hatte er bereits angekündigt, "auf die Barrikaden" zu steigen, wenn die Regierung bei ihren Plänen bleibe.

Ihm sind die geplanten 45 Versicherungsjahre als Bedingung und die 1,8 Prozent Abschläge pro Frühpensionsjahr für die Exekutive-Bediensteten zu viel. Gleichzeitig kritisierte der FSG-Gewerkschafter auch Staatssekretär Alfred Finz (V) und den Vorsitzenden der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst, Fritz Neugebauer (V). Finz hatte Änderungen und ein "Hintertürl" für die Exekutive abgelehnt. "Der Staatssekretär hat damit die gesamte Exekutive vor den Kopf gestoßen. Es ist völlig unakzeptabel, dass unser riskanter und belastender Einsatz zum Gegenstand flapsiger und respektloser Erörterungen einzelner Regierungsmitglieder wird. Wir fordern unser Recht", stellten Pail sowie die Vorsitzenden der Kriminalbeamtengewerkschaft, Gottfried Haselmayer, der Gendarmeriegewerkschaft, Kurt Kaipel, und der Justizwachegewerkschaft, Franz Pauser, fest.

Dem GÖD-Vorsitzenden Neugebauer warf Pail vor, dass die einzelnen Exekutivgewerkschaften nicht in die Verhandlungen eingebunden worden seien. "Wir fordern Verhandlungen, mit uns hat niemand geredet." Für die Sitzung der Polizeigewerkschaft am kommenden Freitag wollte Pail den Gesprächen nicht vorgreifen. Er werde alle auf dem Tisch liegenden Varianten zur Diskussion stellen. In der Exekutivgewerkschaft sei es noch gültige Beschlusslage, dass die Beamten mit 60 Jahren ohne Abschläge in Pension gehen können sollten. Pail selbst hatte sich zuletzt für die bis 2001 gültige Regelung ausgesprochen, wonach man nach 35 Jahren Schicht- und Wechseldienst mit 57 Jahren mit Abschlägen von 0,8 Prozent in Pension gehen durfte.

Die Polizeigewerkschaft werde am Freitag einen Beschluss fassen, kündigte Pail an. Die übergeordnete Exekutivgewerkschaft werde dann aufgefordert, diesem Beschluss ehestens zu folgen. Die Teilgewerkschaften der Polizei, der Kriminalbeamten, der Gendarmerie und der Justizwache sind durchwegs sozialdemokratisch geführt, die Exekutivgewerkschaft als ihre Dachorganisation hingegen ebenso wie die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst christdemokratisch. (APA)