Elisabeth Klatzer
dieStandard.at: Gender Budgeting gilt als Analyseinstrument zur Untersuchung der (versteckten) Geschlechterpolitik durch das Budget. Was kritisieren Sie am österreichischen Budget?

Klatzer: Zum ersten verstehen wir Gender Budgeting nicht nur als Analyseinstrument. Wir verwenden die Übersetzung 'geschlechtergerechte Budgetgestaltung'. Und das soll ausdrücken, dass es nicht nur um die Analyse geht, die natürlich auch notwendig war und ist, um die Geschlechterblindheit in der Finanzpolitik aufzudecken, sondern auch bereits integral um eine Umgestaltung.

Bisher wurde das Bundesbudget ja vollkommen geschlechterblind erstellt, sprich es wurde nicht berücksichtigt, welche unterschiedlichen Effekte sich auf Frauen und Männer ergeben. Außerdem befinden sich in den wichtigen Entscheidungsgremien praktisch keine Frauen. Betrachtet man das Budget als historisch gewachsenes Gebilde, zeigt sich, dass insgesamt nicht ausreichend die Bedürfnisse von Frauen und verschiedenen Gruppen abgebildet sind.

Ein Beispiel – Sicherheitspolitik und das gilt nicht nur für Österreich, sondern für alle westlichen Staaten. Sicherheitspolitik wird sehr stark verbunden mit Militär, mit Polizei, mit Terrorismusbekämpfung. Was allerdings nicht unter Sicherheitspolitik verstanden wird, aber ganz speziell wichtig für Frauen wäre, ist die persönliche, soziale Sicherheit, Schutz vor individueller Gewalt usw. Da brauchen wir im Budget nur nachschauen, wie viel für die traditionelle Sicherheitspolitik ausgegeben wird und wie viel für individuellen Gewaltschutz. Und das vor einem Hintergrund, dass 30 Prozent aller Frauen von physischer Gewalt betroffen sind. Auch die Frage der ökonomischen Sicherheit ist unterbelichtet: Frauen sind viel stärker von Armut betroffen, sie leisten sehr viel mehr unbezahlte Arbeit.

Eine zentrale Forderung von uns ist, dass in jedem Budgetbereich berücksichtigt wird, wie sich die jeweiligen Maßnahmen auf die unbezahlte Arbeit auswirken, auf die sogenannte 'Versorgungsökonomie', die ja hauptsächlich von Frauen geleistet wird. Gerade am Beispiel der Kürzungen im Gesundheitswesen lässt sich das gut veranschaulichen: Die angestrebte Kürzung des Aufenthaltsdauer in Spitälern hat die Konsequenz, dass die PatientInnen zu Hause weitergepflegt werden müssen. Die Arbeit verschwindet aus dem Effizienz-Ökonomie-Gedanken und verschiebt sich in den unbezahlten Sektor, wo dann hauptsächlich Frauen, ob Gattinnen, Mütter oder Kinder, herangezogen werden.

dieStandard.at: Wie sieht es auf der Einnahmen-Seite aus? Was kritisiert Gender Budgeting am Steuersystem?

Klatzer: Als ein Beispiel kann ich die Lohnsteuer nennen. Hier interessiert uns ihre Verteilungsgerechtigkeit. Wir fragen, inwiefern diese staatliche Einnahmequelle die massiven Einkommensdifferentiale der Geschlechter ausgleichen kann. In Österreich gibt es zwar ein leicht progressives Lohnsteuersystem, was Abmilderung bedeutet. Allerdings haben wir dann ein Sozialversicherungssystem mit Höchstbemessungsgrundlage, d.h. es wirkt regressiv. Die Ausnahmebestimmungen im Lohnsteuersystem sind außerdem so gestaltet, dass sie Männern zugute kommen. Das hat übrigens bereits das Finanzministerium in einer Studie von 2002 erkannt: Alleinverdienerabsetzbetrag, Pendlerpauschale, Steuerbegünstigung für das 13.,14. Monatsgehalt, usw. sind Maßnahmen, die sowohl von der Zahl aus auch von der Höhe her mehr von Männern in Anspruch genommen wird.

Bei den Verbrauchersteuern, wie den Umsatzsteuern, wo es ja fixe Steuersätze gibt, wissen wir außerdem, dass sie Menschen mit kleinen Einkommen mehr belasten, da jene einen höheren Anteil des Einkommens für Konsum ausgeben müssen.

dieStandard.at: Was halten Sie von dem Vorschlag, die Kinderbetreuung absetzbar zu machen?

Klatzer: Absetzen geht ja erst, wenn ein entsprechende Einkommen vorhanden ist. Das heißt, diese Maßnahme würde vorwiegend den Besserverdienenden zugute kommen. Eine kostenlose oder günstige Kinderbetreuung wäre in unseren Augen die bessere Maßnahme, um diesen Steuerausfall zu rechtfertigen.

dieStandard.at: Besteht durch Gender Budgeting nicht die Gefahr, dass althergebrachte Rollenmuster stabilisiert werden? Schließlich ist der Ausgangspunkt dieses Instruments ja der 'Istzustand' von Frauen, der oft von alten Rollenmustern geprägt ist ...

Klatzer: Von der Grundidee her ist Gender Budgeting eine Strategie, um emanzipatorische Politik zu machen. Problematisch wird es, wenn Regierungen Gender Budgeting verkürzt anwenden, zum Beispiel nur schauen, wie viel Geld bekommen Männer und wie viel Frauen.

Grundsätzlich betonen wir bei unserer Arbeit zu methodischen Ansätzen des GB immer wieder die Bedeutung des Rollenverständnisses, das hinter den Maßnahmen steht. Wenn wir es also als emanzipatorisch verstehen, dass die unbezahlte Arbeit in das ökonomische Denken eingegliedert werden muss, dann meinen wir nicht, dass Frauen für immer Versorgungsarbeit leisten sollen. Es kann nur ein Ansatz sein, Frauen davon zu entlasten.

Unsere Aufgabe in der Watchgroup sehen wir darin, immer wieder gegen ein verkürztes Verständnis von GB und auch von Gleichstellung vorzugehen und von außen zu schauen, was wird von offizieller Seite gemacht. Aber ich geben Ihnen Recht, dass hier Gefahren bestehen.

dieStandard.at: Ihre Tagung im Februar beschäftigte sich mit Gender Budgeting-Initiativen in Europa. Können Sie kurz die Ergebnisse skizzieren?

Klatzer: Unser ursprüngliches Ziel war es ja eigentlich, dass die österreichische EU-Ratspräsidentschaft das Thema GB in sein Programm aufnimmt. Dazu kam es leider nicht. Deshalb haben wir beschlossen, mit der internationalen Tagung einen Kontrapunkt zu setzen, also Gleichstellung und emanzipatorische Politik in der Budget- und Finanzpolitik öffentlich zu thematisieren.

Wir hatten sowohl Initiativen, die extern arbeiten, viele haben aber auch aktive Konsulentinnen-Rollen in europäischen Regierungen. Die britische Women’s Budget Group hat hier eine Vorreiterrolle. Aber auch in Berlin sind GB-Initiativen inzwischen im beratenden Gremium für budgetäre Angelegenheiten vertreten.

Es gibt in fast allen Ländern Initiativen, wobei sich die meisten auf Pilotebene befinden. Eine große Herausforderung ist es jetzt, Gender Budgeting auch in das Verwaltungshandeln zu integrieren. Es geht ja nicht um eine Hinzufügung, sondern um eine Umgestaltung des Verständnisses von Verwaltung – Geschlechtergerechtigkeit und emanzipatorische Politik muss ein Teil jeglicher Maßnahme werden.

dieStandard.at: Wie sieht die Situation in Österreich aus?

Klatzer: Ja, wir haben einmal die Studie des Finanzministeriums, wobei die Ergebnisse keinen großen Einfluss auf die weitere Politik hatten, siehe Pensionsreform. Dann gibt seit dem Bundesvoranschlag 2005 eine kleine Rubrik, 'Genderaspekte des Budgets' in den erläuternden Bemerkungen, die allerdings vollkommen unzureichend ist.

Neben einem Ministerratsvortrag, der Pilotprojekte zu GB vorschlägt, haben wir auch eine interministerielle Arbeitsgruppe GB, die aber nicht so aktiv ist. Außerdem wurde kürzlich ein Pilotprojekt abgeschlossen, in dem das Drogenbudget des Gesundheitsministerium nach Gender-Kriterien analysiert wurde. Zusätzlich entstand daraus ein Leitfaden für die Verwaltung sowie eine Gesamtstrategie zur Umsetzung in der Bundesverwaltung. Allerdings wurde die Studie noch nicht veröffentlicht.

Was wir in Österreich brauchen ist vor allem eine Gesamtstrategie, d.h. institutionelle Veränderungen, wie zum Beispiel ein steuerndes Gremium, Schulungen, usw.

dieStandard.at: Letztlich ist Gender Budgeting doch auch gebunden an die Frage, welche Aufgabe der Staat übernehmen soll, also Teil einer größeren ideologischen Debatte?

Klatzer: Genau, derzeit ist die Politik darauf aus, den Staat zu reduzieren. Was in Österreich fehlt, ist ein starker öffentlicher Diskurs darüber, was es eigentlich heißt, emanzipatorische Politik zu machen. Das ist nicht nur eine Frage an die Regierung, sondern auch an die Opposition, wie auch an die Frauenbewegung. Von dort müssen die frauenpolitischen Ziele kommen, die GB umsetzen kann. Wir beziehen uns natürlich erst einmal auf die internationalen Vorgaben, wie CEDOW und die Weltfrauenkonferenz.

In Österreich kämpfen viele Fraueninitiativen finanziell ums Überleben. Ich denke, GB könnte eine Strategie sein, um verschiedenste Frauenanliegen zusammenzubringen in ihrem gemeinsamen Kampf um Finanzmittel.

Abschließend dürfen wir auch den finanzpolitischen Rahmen nicht vergessen, in dem das alles passiert: Also die EU-Politik mit ihrem Wachstums- und Stabilitätspakt und die sehr stark restriktiven Budgets, aus denen die sogenannten 'Sparzwänge' resultieren. Das sind externe Vorgaben, die die Spielräume verkleinern bzw. vermeintlich kleiner machen.