Nowotny ist Vizepräsidentin des Scientific Council, des Organs, das die Entscheidungen des European Research Council trifft. Der ERC aber, so Nowotny ohne falsche Bescheidenheit, "ist die Perle im siebenten Rahmenprogramm (der EU-Forschung)". Wenn alles klappt, beginnt der Rat im Januar 2007 seine Arbeit. Die österreichische Wissenschaftsforscherin ist froh, dass sie nach vielen Forschungsjahren, die sie von der Wiener Uni über die ETH, das Budapester Wissenschaftskolleg, die Uni Göttingen und etliche weitere Stationen wieder nach Wien (mit regelmäßigen Reisen nach Brüssel) gebracht haben, nun mit einem Bein "sehr stark in der Praxis, in der Wissenschaftspolitik" steht.
Beste gegeneinander
Gestern, Dienstag, hat Nowotny im club research einen Vortrag über das Verhältnis zwischen Grundlagen- und angewandter Forschung gehalten und darüber, ob diese Trennung der Dynamik innovativer Systeme gerecht wird. Als Antwort nimmt sie im Gespräch mit dem STANDARD vorweg, dass dieses lineare Modell - vom losgelösten basic research bis zur Marktinnovation - zwar in den Köpfen vieler Beteiligter und Geldgeber festsitze, aber nicht adäquat sei. Die reine Bottom-up-Politik des Wissenschaftsfonds FWF "ist für eine nationale Forschungsorganisation vielleicht nicht mehr zeitgemäß, und dafür ist sie auch kritisiert worden".
Allerdings, räumt Nowotny ein, starte der ERC auf europäischer Ebene eine ganz ähnliche Form der Förderung. Das sei aber nur der erste große Schritt, dem eine Einbindung der Industrie und vor allem des Venturekapitals folgen solle. Zu den Voraussetzungen, dass dies möglich werde, zählt eine unterrichtete Öffentlichkeit. Der Austausch zwischen Forschern und Medienarbeitern war denn auch ein weiterer Punkt des club-research-Abends.
"Mir fällt auf", sagt Helga Nowotny über ihre Eindrücke von den österreichischen Medien, "dass die traditionelle Wissenschaftsberichterstattung, die von faszinierenden Ergebnissen, von Einstein und anderen Ikonen handelte, nun doch mehr Konkurrenz bekommt, indem über Forschung gesprochen wird als von einem Prozess, bei dem man noch nicht weiß, was herauskommt."
Zweitbeste Lösung
Um eine aktuelle Probe aufs Exempel zu machen: Über Gugging wurde in der letzten Zeit in einigen Medien erstaunlich zurückhaltend berichtet. Das könne sich ändern, meint die Wissenschaftsforscherin, wenn sich herausstellt, wer tatsächlich kommen wird und wer nicht. Die Grundidee der Elite-Uni hält sie jedenfalls weiterhin für gut, Standortentscheidungen seien immer politisch äußerst heikel. "Ich glaube, dass hier die Wissenschafter von der Politik überfahren wurden. Seit sie sich zurückgezogen haben, hängt das Ganze insofern in der Luft, als zu befürchten ist, dass man für Gugging nicht die erste Garnitur bekommen wird. Damit sehe ich die Gefahr, dass es unbefriedigend wird."
In der besten aller Welten würde man die ursprüngliche Idee wieder aufgreifen, die Standortfrage neu überlegen, eventuell eine weitere Uni in Niederösterreich diskutieren. "Aber die Elite-Uni, so wie sie konzipiert war, in Gugging: Das sehe ich eigentlich nicht."