Bild nicht mehr verfügbar.

Ausschreitungen in Onitsha.

Foto: Reuters/George Esiri
Abuja - Bei den religiös motivierten Gewaltausbrüchen in Nigeria sind einer Menschenrechtsgruppe zufolge innerhalb von fünf Tagen mindestens 146 Menschen getötet worden. Wie die Organisation für Bürgerrechte (CLO) am Donnerstag mitteilte, seien im überwiegend christlich geprägten Süden des Landes in der Stadt Onitsha mindestens 85 Menschen getötet worden, die meisten von ihnen Moslems.

Christliche Jugendlichen griffen ihre Opfer mit Buschmessern an, übergossen die Körper mit Benzin und zündeten sie an. "Die Leichen lagen in verschiedenen Teilen Onitshas. Wir zählten 60 am Dienstag und 25 am Mittwoch", sagte CLO-Leiter Emeka Umeh. Nach jüngsten Polizeiangaben flohen mehr als 11.000 Menschen aus ihren Häusern, um in Polizeiwachen und Armeeunterkünften Schutz zu suchen.

Mit ihren Angriffen auf die Moslems wollten die Christen offenbar die Tötung von mindestens 46 Menschen im überwiegend moslemisch geprägten Norden des Landes am vergangenen Wochenende rächen. Die 140 Millionen Einwohner Nigerias verteilen sich nahezu gleichmäßig auf eine christliche Hälfte im Süden und eine moslemische Hälfte im Norden. In den Städten beider Landesteile leben aber auch Minderheiten der jeweils anderen Religionsgemeinschaft.

Vergeltung

Im Süden des Landes hatten aufgebrachte Christen am Mittwoch nach Augenzeugenberichten Moslems gejagt und etliche von ihnen getötet. Es habe sich offenbar um eine Vergeltungsaktionen für die jüngsten Übergriffe von Moslems auf Christen in dem westafrikanischen Land gehandelt, berichteten Agenturen am Mittwoch. Einem Einwohner in der Stadt Onitsha zufolge suchten Moslems in Armee-Baracken Schutz, weil christliche Randalierer sie verfolgten.

Die Angreifer seien mit Waffen, Steinen und Macheten ausgerüstet gewesen. Aus Sicherheitskreisen wurde verlautet, es habe in Onitsha allein am Mittwoch mindestens 27 Todesopfer gegeben, die Zahl könne aber noch steigen. Das Rote Kreuz berichtete, mindestens 50 Menschen seien ins Krankenhaus eingeliefert worden. Mehrere Moscheen hätten gebrannt.

50 Tote am Wochenende

Nigerias größte Christengruppe CAN hatte am Dienstag bekanntgegeben, sie könne Vergeltungsangriffe ihrer Mitglieder nicht ausschließen. Am Wochenende waren der CAN zufolge 50 Menschen bei christenfeindlichen Aufständen im Norden des Landes getötet worden.

Laut ersten Polizeiberichten hätten sich die Proteste in drei nördlichen Provinzen gegen die Veröffentlichung von zwölf Karikaturen des Propheten Mohammed in einer dänischen Zeitung gerichtet. Sowohl christliche als auch muslimische Religionsführer weisen dies aber zurück.

Bauchi: Lehrer beschlagnahmte religiöse Schrift

Der Rotkreuz-Mitarbeiter Adronicus Adeyemo berichtete, die Kämpfe im nordnigerianischen Bauchi seien nach einer Auseinandersetzung zwischen moslemischen Schülern und ihrem Lehrer ausgebrochen, nachdem ein Lehrer einer moslemischen Schülerin eine religiöse Schrift weggenommen habe, die das Mädchen während des Unterrichts gelesen hatte. Die anderen Schüler hätten ihm Schändung des Korans vorgeworfen und ihn angegriffen. Gerüchte über den Vorfall hätten sich rasch verbreitet, daraufhin hätten junge Moslems Christen angegriffen.

Katsina: Streit um Verfassungsänderung

In der hauptsächlich von Muslimen bewohnten Stadt Katsina im Nordwesten des Landes hatten am Wochenende tausende Nigerianer gegen eine geplante Verfassungsänderung und nicht gegen die dänischen Cartoons protestiert, gab der Oppositionspolitiker Abu Ibrahim von der "All Nigeria People´s Party" (ANPP) Reuters gegenüber an.

Die nigerianische Verfassung erlaubt einem Präsidenten nur zwei Amtsperioden. Viele Nigerianer glauben, dass der Präsident seine Abwahl nicht zulassen wird, weil Obasanjo bisher keinen Kandidaten für seine Nachfolge nominiert hat und vor den Wahlen im nächsten Jahr eine umfangreiche Verfassungsänderung anstrebt. Osabanjo stammt aus dem christlichen Süden Nigerias.

Die nigerianische Zeitung "This Day" zitiert Sabo Musa Hassan, einen Sprecher der Protestierenden: "20.000 Menschen gingen auf die Straße, um dem Gouverneur mitzuteilen, dass wir das öffentliche Hearing zur Verfassungsänderung ablehnen. Wir wissen, das der Präsident einen Verfassungszusatz will, der ihm eine dritte Amtszeit ermöglicht." Der ANPP-Kandidat Muhammadu Buhari, der bei der umstrittenen Präsidentenwahl im Mai 2003 gegen Osabanjo unterlag ( derStandard.at berichtete) unterlag, kommt aus Katsina.

Die 140 Millionen Einwohner Nigerias verteilen sich fast gleichmäßig in eine christliche Hälfte im Süden und eine moslemische Hälfte im Norden. In den meisten Städten leben aber Minderheiten, die sich zur jeweils anderen Religion bekennen. Religiös motivierte Gewalttaten in einem Landesteil führen regelmäßig zu Racheaktionen in anderen Regionen. (bed)