grafik: DER STANDARD
In Wien beginnen am Montag die direkten Verhandlungen um den Status des Kosovo. Unter UN-Führung wird zunächst über die Dezentralisierung der Gemeinden geredet. Eine Einigung zwischen Belgrad und Prishtina ist nicht in Aussicht.

*****

Wien/Belgrad/Prishtina - "Es ist wie vor der Scheidung einer Ehe". Mit diesen Worten beschrieb der kosovo-albanische Umweltminister Ardian Gjini das Verhalten Prishtinas und Belgrads vor den gemeinsamen Gesprächen, am Montag erstmals in Wien unter UN-Führung stattfinden. Verhandelt wird über den völkerrechtlichen Status der serbischen Provinz Kosovo. Beide Seiten stellen Maximalforderungen: Prishtina will nur über die Unabhängigkeit reden, für Belgrad kommt diese nicht infrage.

Die obersten politischen Verhandlungsführer beider Seiten kamen nicht nach Wien. Das UN-Verhandlerteam unter dem Finnen Martti Ahtisaari und dem Österreicher Albert Rohan darf zunächst dem kosovo-albanischen Minister für lokale Verwaltung Lufti Haziri und Umweltminister Gjini die Hand schütteln. Der neue Präsident Fatmir Sedjiu, Premier Bajram Kosumi und die Vertreter der wichtigsten Oppositionsparteien Hashim Thaci von der PDK und Veton Surroi von Ora bleiben vorerst in Prishtina. Aus Belgrad reisten auch nur Berater von Premier Vojislav Kostunica und Präsident Boris Tadic an.

Vorschläge zur Dezentralisierung

Denn um den Status des Kosovo geht es zunächst ohnehin nicht. Die Delegationen sollen ihre Vorschläge zur Dezentralisierung vorstellen, bis Dienstagmittag soll verhandelt werden. Die strategische Überlegung der UN-Verhandler: Die Delegationen sollen sich in Details verbeißen, bis sie sich daran gewöhnen, miteinander zu reden. Durch die Gespräche über Dezentralisierung, die Übertragung von Autonomie auf lokale Ebenen, sollen zudem die festgefahrenen Positionen aufgeweicht werden.

Die kosovo-albanische Delegation wird dem Verhandler Enver Hoxhaj zufolge "eine umfassende Reform der Verwaltung" unterbreiten, aber keine Vorschläge zu "Grenzen und Territorien" der Gemeinden. In der serbischen Delegation überwog vor der Abreise Defätismus. Man erwarte harte Gespräche ohne konkrete Resultate. Jegliche Abkommen über die Dezentralisierung werde Prishtina ohne die Endlösung der Statusfrage ohnehin nicht anerkennen, erklärte Milorad Todovorovic, Mitglied des serbischen Verhandlungsteams. Der albanische Vorschlag erinnere von der Form her an "Erpressung".

Eine breite Autonomie des Kosovo im Rahmen Serbiens, und eine ebenso wesentliche Autonomie der serbischen Bevölkerung im Kosovo, lautete dagegen die serbische Verhandlungsposition. In Wien wird man die Gründung von sechzehn neuen Gemeinden im Kosovo vorschlagen. In vierzehn würden die Serben die Mehrheit haben, und in zwei die Bosniaken und die Goranci, die ebenfalls als Minderheiten im Kosovo leben. Die Gemeinden sollten im Gesundheits- und Bildungswesen, der sozialen und Kulturpolitik, sowie in kommunalen Diensten, der Justiz und Polizei große Selbstverwaltungsrechte genießen.

Mehr Sicherheit

Die Dezentralisierung soll den Serben im Kosovo vor allem mehr Sicherheit garantieren.Der Kosovo wird seit dem Krieg 1999 von der UNO verwaltet. Belgrad hat nur mehr Einfluss auf die serbische Bevölkerung - etwa 10 Prozent der Kosovaren. Der Westen präferiert eine "bedingte Unabhängigkeit", die EU soll Teile der Verwaltung übernehmen, die UN-Truppen sollen im Land bleiben. Letztlich entscheidet der UN-Sicherheitsrat. Die internationale Kontaktgruppe - die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien - spielen während der Gespräche eine wichtige Rolle. (iva, awö/DER STANDARD, Printausgabe 20.2.2006)