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Slobodan Milosevic auf einem Foto bei einer Demonstration in Belgrad im Februar dieses Jahres.

Foto: APA/EPA/KOCA SULEJMANOVIC
Die Zelle des ehemaligen jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milosevic im Scheveninger Gefängnis lässt keine Wünsche offen: der Angeklagte verfügt über Telefon, Fax, Computer und Satellitenfernsehen. Nur den Rechtsbeistand verweigert er seit vier Jahren. Seine Anwälte sitzen zwar im Gerichtssaal, in das Verfahren eingreifen dürfen sie jedoch nicht. Milosevic weiß, dass er keine Chance auf einen Freispruch hat.

Tiraden gegen Nato

Er ist ganz auf das serbische Publikum ausgerichtet. So forderte er medienwirksam die Einvernahme von Tony Blair und Gerhard Schröder, verweigert aber jede Stellungnahme zu seiner Rolle im Kroatien- und Bosnienkrieg. Seine Tiraden über angebliche Kriegsverbrechen der Nato im Kosovo haben ihm bereits drei Viertel seiner vom Gericht zugeteilten Redezeit gekostet. Mehr als zwanzigmal wurde der Prozess schon vertagt.

Seine Ärzte begründen das mit Milosevic hohem Blutdruck und einer Herzkrankheit. Ein zweite Ursache für den schleppenden Prozessgang liegt in der Entscheidung, alle drei Anklagen in einem Prozess abzuhandeln. Einige Richter hatten vorgeschlagen, das Kosovo-Verfahren getrennt zu behandeln, in der Hoffnung, schnell zu einer Verurteilung wegen Völkermordes zu kommen.

Kosovo-Status

Milosevic war dagegen, weil er dem Gericht unterstellte, Einfluss auf die Verhandlungen über den Kosovo-Status nehmen zu wollen. Del Ponte ebenfalls, weil sie befürchtete, die UNO könnte nach der ersten Verurteilung Milosevic den Geldhahn zudrehen. Kritik an den enormen Kosten des Tribunals hatte zuletzt Kofi Annans Rechtsberater, Ralph Zacklin, geäußert.

Es sei eine "Schande", so Zacklin, dass die beiden Tribunale über die Kriegsverbrechen in Jugoslawien und Ruanda zehn Prozent des gesamten UNO-Budgets verbrauchten. Das Budget des Haager Tribunals betrug für 2004 und 2005 rund 225 Millionen Euro. Allein die Kosten für die von Milosevic angeforderten Dokumente und Fotokopien belaufen sich auf eine Million Euro. Das größte Problem des Gerichts ist jedoch die Weigerung der serbischen Regierung, Ratko Mladic und Radovan Karadcic auszuliefern.

Seit Jahren verlangt Carla del Ponte Einsicht in das Mladic-Dossier in Belgrad. Die Anklage vermutet, dass die serbische Regierung dadurch die direkte Verantwortung Milosevic' für die in Bosnien begangene Kriegsverbrechen beweisen könne. Vergangenen Dezember händigte Belgrad schließlich acht Seiten des Mladic-Dossiers aus. "Wir haben gesucht wie die Verrückten", hatte der zuständige serbische Minister, Rasim Ljajic, triumphierend erklärt. Anklägerin Del Ponte kam keinen Schritt weiter: "Die so genannten neuen Seiten, über die man in Belgrad so viel Aufhebens macht, enthalten keine Informationen über Mladic, manche Seiten sind leer."

Deadline 2008

Seit Januar dürfen Eufor- und Nato-Truppen erstmals serbisch-montenegrinisches Staatsgebiet betreten – offiziell um die Kfor-Truppen im Kosovo besser unterstützen zu können. Wahrscheinlicher ist, dass Belgrad die Verhaftung der mutmaßlichen Kriegsverbrecher erleichtern will, ohne dabei selbst eine aktive Rolle zu spielen.

Viel Zeit dürfte dem 1993 eingesetzten Tribunal nicht mehr bleiben. Auch die neue Deadline, alle Verfahren sollten bis zum Jahre 2008 abgeschlossen sein, dürfte nur dann zu halten sein, wenn die Gesuchten schnell gefasst werden. Einige UNO- Staaten scheinen die Geduld zu verlieren. So hat die Regierung Bush vorgeschlagen, den Gerichtshof vorübergehend zu schließen. Im Falle der Verhaftung von Mladic und Karadzic könne man das Tribunal ja wieder einsetzen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17.2.2006)