Grundtenor: Bob Dylan hätte schon mit Like A Rolling Stone nie zum Rocker werden dürfen. Stichworte: "Wahrhaftigkeit" und die Sehnsucht nach dem "Echten" in Zeiten des Beliebigen. Ein Streben mit Folgen bis ins Heute.
Ein Vierteljahrhundert später eingespielter Lagerfeuerkitsch von schon in den 70er-Jahren ausgebrannten Typen wie Eric Clapton sollte dann als historisierende Klammer in der Beugehaft von elektrisch unverstärktem wie damit ungleich elektrifizierender wirkendem Pop auch noch auf die Bedürfnisse eines Publikums herunterdekliniert werden, das mittlerweile das begnadet auf E-Gitarren heruntergedroschene Potenzial von Nirvana erst posthum über deren MTV Unplugged Session erkennen wollte: Wenn man den Lärm von Nevermind mit Wunderkerzen wegmacht, hätten die Buben ja eigentlich ganz nette Melodien gehabt!
Der 43-jährige New Yorker Produzent Rick Rubin, der sich einst seine Meriten mit der Zusammenführung von weißem Metal und schwarzem Hip-Hop verdiente und die Beastie Boys groß machte (Licensed To Ill), ist mit aktuellen Lohnarbeiten für die kolumbianische Gewitterziege Shakira, die Drogen-Metaller Korn oder den ewigen Lalelu-Balladen-Funk der Red Hot Chili Peppers in letzter Zeit nicht wirklich geschmackssicher unterwegs.
Immerhin aber befreite er vor zehn Jahren den späten Johnny Cash aus seinem Vorruhestand mit tatsächlich berührenden reduzierten Alterssichtungen von Pop und dessen Schattenseiten. Die American-Recordings-Serie holte Cash bis zu seinem Tod 2003 zurück vom Ausgedinge der Peter-Alexander-Shows hinunter in den Underground. Hier wurde eine als archaisch erfahrene, uramerikanische Erzählstimme zurück zum Eigentlichen gebracht.
Kitschgroßmeister
Dass parallel zu diesem verdienten Unterfangen schon 1996 dem britischen Schmalspur-Bob-Dylan Donovan (Atlantis) von Rubin mit dem gefloppten Album Sutras zu einem Comeback verholfen werden sollte, ist längst vergessen. Und dass es jetzt nach dem Tod von Cash auch nicht erwartungsgemäß der große Leonard Cohen geworden ist, an dem Rubin seine Sichtung exemplarischer Songschmiedekunst festmacht, sondern ausgerechnet der 65-jährige Kitschgroßmeister Neil Diamond, lässt sich auch nur über ein Missverständnis erklären.
Neil Diamond firmierte zwar Zeit seiner Karriere mit 120 Millionen verkauften Platten als einer der großen Songschreiber des Pop. Erinnert sei an Evergreens wie Beautiful Noise, I Am . . . I Said, Song Sung Blue und Sweet Caroline oder an das unfassbare Kitschmeisterwerk Jonathan Livingston Seagull aus 1973. Pop in Cinemascope!
Mit Liedern wie I'm A Believer, Kentucky Woman oder Red Red Wine brachte er seit den 60er-Jahren auch die Karrieren der Monkees, jene von Deep Purple oder von UB 40 entscheidend in Schwung. Allesamt Meisterwerke des epischen, aber melodisch schmissigen Mehr - als Mehr der Orchestersülze.
Warum sich Diamond heute von Rubin für die in den USA schon Ende 2005 und erst jetzt in Europa lizensierten 12 Songs dazu überreden ließ, seine gewohnte Hundertschaft an Streichern und Bläsern zu Hause zu lassen, um sich als gerader Michel allein an der Gitarre oder spartanisch begleitet von der schon in den Diensten von Johnny Cash gestandenen Tom Petty Band begleiten zu lassen, bleibt rätselhaft. Der Rest ist Mild-Elegisches im Stile von U2. One hier gleich: We.