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Im Kampf gegen den Steuerbetrug fordert der estnische Vizepräsident der EU-Kommission, Siim Kallas, die Reduzierung nationaler Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer.

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Der Kampf gegen den Mehrwertsteuerbetrug ist eine der Prioritäten der österreichischen EU-Präsidentschaft und steht am Dienstag auch auf der Agenda der EU-Finanzminister. Dass sich Österreichs Ressortchef Karl-Heinz Grasser ein Vorgehen dagegen zum Ziel gesetzt hat, wird vom Vizepräsidenten der EU-Kommission, Siim Kallas, begrüßt. "Es geht um wirklich viel Geld, um riesige Summen", sagt der für Betrugsbekämpfung zuständige Este im Interview mit dem STANDARD.

Kallas gibt Schätzungen aus Großbritannien und Deutschland wieder. Demnach betrug der Mehrwertsteuerbetrug in Großbritannien zwischen 2,4 und 4 Milliarden Euro in den Jahren 2003 und 2004. In Deutschland werde der Schaden vom Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo und der Steuergewerkschaft auf jeweils 17 bis 21 Milliarden Euro in den Jahren 2003 und 2004 geschätzt, sagte Kallas. Für Österreich bezifferte Grasser die Abgabenrückstände auf 2,1 Milliarden Euro.

Kallas sieht die Mitgliedstaaten in der Pflicht, stärker gegen den Betrug vorzugehen. Es gehe nicht nur um ihr Geld sondern auch um jenes für die EU, denn ein Teil des Budgets der Union speist sich aus den Einnahmen durch die Umsetzsteuer. "Die Hauptsache ist, die Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer zu reduzieren. Die EU-Finanzminister haben das schon diskutiert, aber sie müssen dies weiter gehend machen."

Kallas fordert die EU-Staaten auch auf, stärker auf die Hilfe der EU-Betrugsbekämpfungsagentur Olaf einzugehen. "Olaf hat schon neutrale Hilfe angeboten. Aber das wurde nicht sehr enthusiastisch aufgenommen." Die Idee sei, dass Olaf eine Art Plattform für eine engere Kooperation der Mitgliedstaaten anbiete. Kallas weist darauf hin, dass die Zusammenarbeit der EU-Staaten und von Olaf bei der Bekämpfung von Nachahmerprodukten sehr erfolgreich war, die besonders aus China auf den europäischen Markt kämen. "Da hat auch Olaf eine Plattform geboten, es gab eine gute Kooperation, und das Ergebnis ist ziemlich beeindruckend." Die EU-Kommission forderte die Mitgliedstaaten deshalb "selbstverständlich auf, auf die Hilfe von Olaf zurückzugreifen".

Auf die Frage, worauf er diese Widerstände zurückführe, antwortete Kallas: "Das ist mit der generellen Frage verbunden, was auf EU-Ebene gemacht werden und was bei den Mitgliedstaaten verbleiben soll. Die Umsetzung von Recht ist einer der Bereiche, in denen man noch stark darauf achtet, dass das in den Händen der Mitgliedstaaten bleibt. Aber die Zeiten ändern sich."

Kein einfacher Kampf

Er verwies auf die Anschläge von London. Danach habe sich die Kooperation im Bereich Terrorbekämpfung stark verbessert. "Der echte Kampf gegen Mehrwertsteuerbetrug braucht auch die Unterstützung aller, das ist offensichtlich, und niemand kann allein überleben. Hier geht es nicht um einfache Zigarettenschmuggler, die über die Grenze kommen." Um gegen Mehrwertsteuerbetrug vorzugehen, brauche man Computer, Ausbildung und Finanzmittel, darüber hinaus hohes Wissen und ein gutes Netzwerk. "Ohne das kann man nicht viel erreichen."

Österreich habe "zumindest versprochen", während seiner EU-Präsidentschaft über eine stärkere Rolle von Olaf beim Kampf gegen den Mehrwertsteuerbetrug zu diskutieren. "Die Österreicher sind in diesem Bereich ziemlich kooperativ. Und wir drängen definitiv auf mehr Zusammenarbeit", betonte Kallas. (Alexandra Föderl-Schmid, Brüssel, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 14.2.2006)