Kurt Flecker sehnt sich zurück in die 60er- und 70er-Jahre: Der steirische SP-Kulturlandesrat will "Akteure der Provokation" finden, was heutzutage aber schwierig sei.

Foto: SPÖ, Steiermark
Im Gespräch mit Gerfried Sperl und Thomas Trenkler sehnt sich Flecker nach Provokation - und verkündet das Ende von Pensionistenausflügen zu Landesausstellungen.


STANDARD: In der Steiermark der 60er- und 70er-Jahre, als Hanns Koren von der VP die Kulturpolitik prägte, gab es eine Spannung zwischen der Hochkultur und einer sehr experimentell orientierten Intellektuellenszene. Sie scheinen die Spontanität, die subkulturellen Initiativen wieder stärker betonen wollen.

Flecker: Ja. Zu Korens Zeiten ist es noch gelungen, anlässlich von Events, die die offizielle Politik unterstützt hat, zu provozieren, über das Gängige hinauszugehen, während wir heute überhaupt nicht mehr in die Bäuche reinkommen, bestenfalls in die Gehirne. Es ist alles etwas synthetisch geworden. Keiner regt sich mehr auf. Kultur ist heute viel zu wenig sexy. Das sind eindeutige Mängel.

STANDARD: Gibt es in der Steiermark überhaupt noch das intellektuelle Potenzial?

Flecker: Früher gab es eben ein Klima, in dem das Potenzial wachsen konnte. Heute fehlt das Klima. Es gibt sehr viel Gleichgültigkeit. Wir leben in einer Gesellschaft, die sehr stark materiell ausgerichtet ist: Die Qualität wird nur mehr am Arrivierten gemessen - und nicht mehr an dem, was erst hochkommen muss.

STANDARD: Wie kann man heute Provokation entweder anregen oder importieren?

Flecker: Nur durch die Förderung des Provokanten! Aber es ist schwer, die Akteure der Provokation zu finden, weil der kritische Bereich angespeist ist von den Politikern und deren Ankündigungen. Aber wenn man diese Leit- und Kultfiguren findet, dann kann man wieder ein kulturelles Klima schaffen. Ich bin derzeit auf Partnersuche: Ich versuche durch mein Verhalten, Resonanz im kritischen Bereich zu bekommen. Eine Figur, die in der Lage sein könnte, einiges an Flair und Stimmung hineinzubringen, ist Peter Weibel. Ich schätze ihn sehr und will auf diese Ressource nicht verzichten.

STANDARD: Weibel ist Chefkurator der Neuen Galerie, einer Abteilung des Landesmuseums Joanneum. Sie erklärten sich nicht zufrieden mit der gegenwärtigen Struktur, da Intendant Peter Pakesch viele Funktionen auf sich vereint - und zudem das Kunsthaus leitet. Wird es zu einer Zerschlagung des Konzerns kommen?

Flecker: Pakesch ist Geschäftsführer, Intendant, Department- und Abteilungsleiter. Ich halte das für keinen guten organisatorischen Aufbau und habe daher die automatische Vertragsverlängerung bis 2012 abgelehnt. Das heißt aber nicht, dass ich auf Pakesch verzichten will. Ich diskutiere mit ihm und Wolfgang Muchitsch, dem zweiten Geschäftsführer, ein neues Organigramm. Es sollte vor dem Sommer stehen. Als erstes müssen aber diese Reibungen zwischen Pakesch und Weibel minimiert werden.

STANDARD: Sie sind nun schon über 100 Tage im Amt. Gibt es bereits etwas vorzuweisen?

Flecker: Wir haben einen neuen Landeskulturbeirat eingerichtet. Und jetzt ist nicht mehr ein Verein, sondern das Land Eigentümer der Kulturservicegesellschaft. Sie wird nicht mehr als Veranstalter auftreten, sondern Serviceleister für die Szene sein. Es werden nun z. B. Sprechtage mit einem Steuerberater und einem Juristen angeboten.

STANDARD: Die Oper ist ja nicht unbedingt Ihr Steckenpferd. Wie sieht die Zukunft der Grazer Bühnen aus?

Flecker: Eine Reduzierung der Mittel ist ohne Qualitätsverlust oder die Aufgabe einer Spielstätte nicht möglich. Das werden wir sicher nicht tun. Wir müssen für die Opernhausintendanz ab 2009 im Laufe dieses Jahres die Finanzierungsabsicherung finden.

STANDARD: Ins Programm des bürgerlichen Festivals styriarte aber greifen Sie sehr wohl ein.

Flecker: Nein, die styriarte steht völlig außer Streit. Aber es kann nicht alle zwei Jahre eine zusätzliche Oper mit Harnoncourt geben! Das überschreitet die finanziellen Möglichkeiten des Kulturbudgets. Der geplante Idomeneo wird dennoch realisiert. Aber nicht 2007, sondern erst 2008.

STANDARD: Und zwar in der List- Halle, die fast nicht genutzt wird. Auch Veronica Kaup- Hasler, die neue Chefin des Festivals steirischer herbst, hat kein großes Interesse, sie zu bespielen. Die öffentliche Hand muss die Halle aber erhalten.

Flecker: Ich verstehe die Intendantin: Der herbst soll sich nicht auf nur einer Bühne abspielen. Der Bau der Halle war ein Akt der Verschwendung. Wir haben ein jährliches Defizit von 550.000 Euro. Helmut List, der Bauherr, hat einen wasserdichten Vertrag bis 2012. Wir suchen dennoch Möglichkeiten, wie wir finanziell besser aussteigen können. Tatsache ist, dass wir zu viele Spielstätten haben. Ich möchte mit der Stadt eine gemeinsame Vermarktung der Spielstätten besprechen.

STANDARD: Sie kündigten an, mit den Landesausstellungen - heuer die "Gesundheit" in Bruck - aufhören zu wollen.

Flecker: Ich will mit dem Landeskulturbeirat eine völlige Neukonzeption diskutieren. In der bisherigen Form wird es sie sicher nicht mehr geben. Da muss mehr kulturelle Spannung hinein, für derartige Betriebs- und Pensionistenausflugsgeschichten lasse ich so viel Geld - 5,5 Millionen Euro - nicht mehr raus. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.2.2006)