My Morning Jacket aus Louisville, Kentucky: Die momentane Zukunft des Rock trägt Bärte und Hemden, die sich auch als Tischtücher verwenden ließen

Foto: Sony

My Morning Jacket: "Z" (Sony)

Plattencover: Sony
Wien – "Ich dachte, ich würde eine Country-Platte in einem Stall aufnehmen", gestand John Leckie dem amerikanischen Magazin Rolling Stone. "Aber", so der britische Produzent, "die Band machte Musik, wie ich sie noch nie zuvor gehört hatte." Leckie gilt als Veteran hinter dem Mischpult und arbeitete mit Künstlern wie den Cowboy Junkies, den Stone Roses oder Radiohead.

Die Band, die seine Bewunderung hervorgerufen hatte, nennt sich My Morning Jacket und sieht tatsächlich so aus, als könnte sie ihre Freizeit Hufeisen werfend und auf Kühen reitend verbringen: Junge Männer mit Bartwildwuchs und zerknautschten Polsterfrisuren in Jeans und Hemden, die auch als Tischtücher durchgehen würden – dem Vernehmen nach wortkarg und auch noch aus Louisville, Kentucky, stammend.

Außerdem hat das Quintett eine Country-Vergangenheit. Nur hat diese wenig mit den gängigen Nashville-Schablonen zu tun, weshalb ihre ersten beiden Alben The Tennessee Fire (1999) und At Dawn (2001) ungeschickt mit dem Etikett "Gothic Country" versehen wurden.

Ein Blödsinn, den man gleich wieder vergessen darf – auch wenn ausgerechnet am neuen Album Z (Sony) genau so eine Nummer zu finden ist: Into The Woods. Eine schattseitige Country-Ballade mit schwindsüchtigen Chören, die auch eine Hörbuchsammlung von Ghost-Stories des US-Autors Ambrose Bierce eröffnen könnten. Immerhin belegen derlei Widersprüchlichkeiten, dass My Morning Jacket abseits gängiger Schemata arbeiten.

Z, das in den USA bereits vergangenen Herbst, hier zu Lande erst jetzt veröffentlicht wurde, untermauert diesen Ausnahmestatus. Als "amerikanische Antwort auf Radiohead" wurde die Band in der Fachpresse gepriesen.

Dabei klingen die vier Musiker um Mastermind Jim James nicht verbissen um Innovation bemüht. Ihren originären Sound prägt vor allem der exzessive Einsatz von Echo-Effekten und Hall. My Morning Jacket verwenden lediglich einen Synthesizer und besitzen im Rhythmusbereich mit Schlagzeuger Patrick Hallan einen Mann, der kreativer als viele seiner Kollegen arbeitet.

Was auf Z nach großer Leichtigkeit klingt, war harte Arbeit. Nachdem die Band sich nach dem Abgang zweier Mitglieder beinahe schon aufgelöst hatte, gab man sich mit zwei neuen Musikern eine letzte Chance.

Feilen an den Sounds

Monatelang probierte Hallan verschiedene Rhythmen, während James an den Sounds und der Atmosphäre feilte und diese Ergebnisse und ihre Auswirkungen auf die Songs überprüfte. "Ich mag HipHop und Soul und habe versucht, Elemente aus diesen Stilen einzubringen, ohne sie einfach eins zu eins zu übernehmen", berichtet Jim James über den Arbeitsansatz.

Die Ergebnisse führte My Morning Jacket nach dem doch relativ konventionell ausgefallenen Major-Debüt It Still Moves aus 2003 in neue Gefilde: Filigrane Melodien treffen auf atmosphärische Ambientsic!-Charakteristika, ein erbleichter Rhythm'n'Blues wird mit Höllenkaracho gegen die Wand geschoben. Dazu scheut James auch nicht vor Schweinerock-Riffs zurück, wissend, dass in dem Moment, in dem er seine hohe Kopfstimme erhebt, alles eine völlig neue Deutung erfährt.

Diese Spielfreude lässt neben irrwitzigen Einzelleistungen – etwa das von vibrierenden Orgelstößen elektrifizierte Anytime – ein überzeugendes Gesamtes entstehen. Vergleichbar mit Sternstun den wie Document von R.E.M., Perfect From Now On von Built To Spill oder The Soft Bulletin von The Flaming Lips.

Den Erfolg in den USA, wo Z aus den Autos von New Yorker Wall-Street-Brokern ebenso dröhnen soll wie aus den VW- Bussen von Althippies im Umland von San Francisco, wollen My Morning Jacket mittels Tour bald nach Europa bringen – sobald James sich von seiner momentanen Lungenentzündung erholt hat. (DER STANDARD, Printausgabe vom 1.2.2006)