Foto: Süddeutsche Cinemathek
Fast vierzig Jahre später wird Godard sagen: Jeder schlechte Film fängt mit einem Drehbuch an und hört mit der Kopie eines Drehbuchs auf. So wie Revolutionen, die einer Theorie folgen, um in einem Zerrbild dieser Theorie unterzugehen. Dass der Weg dorthin schon das Ziel sei, kann nur behaupten, wer Zeit im Übermaß zur Verfügung hat, also Geld und Geduld ohne Ende, wozu in der Regel weder Filmproduzenten noch Revolutionäre gehören.

Sehr viel schief gehen kann nicht, muss sich Carlo Ponti gedacht haben, als er 1963 den Regiestar der Nouvelle Vague engagierte, um mit Brigitte Bardot einen Roman Alberto Moravias zu verfilmen, Schauplätze Rom und Capri, Thema die Branche selbst, deren Zweck für einen Kollegen Godards damals darin bestand, hübsche Frauen hübsche Dinge tun zu lassen. Sicher aber nicht, den Tod der Liebe bei seiner Arbeit zu zeigen, und die unauflöslichen Widersprüche zu benennen, die jeder Kunstproduktion unterm Diktat des Marktes innewohnen, insbesondere dem Kino, dessen Traum- und Tauschwert trotz immenser Kosten hochspekulativ bleibt. Sich einen Panzer aus Zynismus zuzulegen, mag den Einzelnen vor der Enttäuschung des Verrats schützen, gleichwohl weiß er, dass und wie das teure System ohne ihn funktioniert, Liebesbeziehungen ähnlich, die mit ausgetauschtem Personal weiterlaufen, als sei nie etwas passiert.

Am Ende sind Brigitte Bardot und der von Jack Palance gespielte Filmproduzent Prokosch nicht mehr am Leben, in seinem roten Alfa auf der Autobahn unter einen Laster gerast. Ihr Mann (Michel Piccoli) sollte das Drehbuch für eine Verfilmung der Odyssee überarbeiten, die Prokosch nicht modern genug war, offenkundig hatte er den falschen Regisseur gewählt (Fritz Lang als Fritz Lang). Der aber kennt aus langjähriger Erfahrung die Geschäftsbedingungen eines Gewerbes, wo man mit Lügen sein Brot verdient – wie es in Brechts kurzem Gedicht Hollywood heißt.

Kunst sagen, aber Ware meinen und von Liebe reden, obwohl man lediglich ein ökonomisches oder sexuelles Interesse verfolgt, sind die Seiten ein- und derselben Münze, die sich bis heute ihre Kaufkraft bewahrt hat. Wie es Godard gelingt, dafür Bilder zu finden, die nicht Illustration eines moralischen Traktats sind, mit welcher selbstverständlichen Leichtigkeit er Texte von Dante und Hölderlin in die verranzten Kulissen Cinecittàs schmuggelt, macht seine Verachtung zu einem der größten, und das heißt zum Niederknien schönsten Filme, die je gedreht worden sind, ein einziges Versprechen darauf, dass es einmal eine Welt geben könnte, in der Träume so real sind wie das Leben und das Leben ein für alle Realität gewordener Traum. Niemand, wirklich niemand braucht sich am Schluss seiner Tränen zu schämen. (DER STANDARD, Printausgabe)