Die EU hat Serbien-Montenegro und Bosnien-Herzegowina wieder einmal zu "entschlossenem Handeln" aufgefordert, um die mutmaßlichen Kriegsverbrecher Radovan Karadzic und Ratko Mladic vor Gericht zu bringen, hat sich aber selbst vor Entschlossenheit gedrückt. Die Verhandlungen über das Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen wurden nicht - wie zuvor angedroht - ausgesetzt. Damit macht sich Europa ziemlich unglaubwürdig. Wenn Mladic und Karadzic nicht bald ausgeliefert werden, dann läuft das Tribunal in Den Haag Gefahr, die Prozesse nicht mehr im Zeitrahmen abschließen zu können. Und ohne die beiden zentralen Figuren vor Gericht, können die Kriegsgräuel den Verantwortlichen nicht zugeordnet werden und die serbische und bosnische Gesellschaft nicht den notwendigen Schritt in Richtung Europa machen.

Die EU scheint nicht genügend Druckmittel zu haben. Vielleicht hat sie sich das auch ein wenig selbst zuzuschreiben. Der plötzliche Meinungsumschwung der Haager Chefanklägerin Carla Del Ponte vergangenen Oktober, doch mit Serbien-Montenegro über das Abkommen und mit Kroatien über einen Beitritt zu verhandeln, war ein zwiespältiges Signal. Serbien hat zwar im Vorjahr so viele Angeklagte ausgeliefert wie niemals zuvor, aber so mancher Ex-General wurde mit einer Cocktailparty verabschiedet. Und obwohl seit Monaten versprochen wird, Mladic werde demnächst gefasst, ist nichts passiert. Sogar der serbische Außenminister Vuk Draskovic wirft Kräften im Lande vor, die Haager Angeklagten zu schützen. Er befürchtet Konsequenzen für die Kosovo-Statusverhandlungen.

Offiziell sind die beiden Themen nicht miteinander verschränkt, doch klar ist, dass Belgrad in einer besseren Position wäre, wenn es nicht weiter unter Verdacht stünde, mutmaßliche Kriegsverbrecher zu schützen. Vielleicht will man aber auch die Trumpfkarte noch ein wenig behalten. (DER STANDARD, Printausgabe, 31.01.2006)