Nahost-Konflikt
Geldströme an die Palästinenser
EU-Staaten sind größte Geldgeber - Nach Hamas-Wahlsieg drohen Zahlungseinstellungen
Wien - Der bevorstehende palästinensische Regierungswechsel
nach dem Hamas-Wahlsieg hat Debatten über die mögliche Einfrierung
von Unterstützungszahlungen ausgelöst. Die Hamas ist für zahlreiche
Selbstmordanschläge in Israel verantwortlich und wird von den USA
sowie der EU, dem größten Geldgeber der Palästinenser, als
Terrororganisation eingestuft. Im Folgenden eine Chronologie der
Geldströme nach Palästina:1971 - Die Hilfe für die Palästinenser aus dem EU-Budget beginnt
zunächst mit Zahlungen an das UNO-Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge
(UNRWA). Die UNRWA ist vor allem in den Bereichen Gesundheit und
Bildung tätig. 1980 - Die damals neun EU-Staaten bringen in der
Venedig-Deklaration ihre Unterstützung für die Selbstbestimmung der
Palästinenser zum Ausdruck. Das Sponsoring von einer Vielzahl von
NGO-Projekten im Gesundheits- und Bildungswesen sowie der
Landwirtschaft wird aufgenommen. 1979-89 - Große Geldströme aus der arabischen Welt, vor allem aus
Saudiarabien und anderen ölreichen Golfstaaten fließen an die von der
UNO als Vertretung des palästinensischen Volkes anerkannte
Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO). Laut dem ehemaligen
PLO-Finanzminister Jaweed al-Ghussein waren es jährlich rund 200
Millionen Dollar (164 Mio. Euro), 85 Millionen Dollar (69,8 Mio.
Euro) allein aus Saudiarabien. 1990 - Der PLO-Vorsitzende Yasser Arafat stellt sich im Zweiten
Golfkrieg um die Besetzung Kuwaits zwischen dem Irak und den USA auf
die Seite des irakischen Machthabers Saddam Hussein. Es fließt in der
Folge weniger Geld aus der arabischen Welt; Saddam Hussein
"revanchiert" sich dagegen mit 150 Millionen Dollar (123,2 Mio.
Euro), die laut Ghussein in drei Schritten direkt an Arafat gegangen
sein sollen. 1993 - Nach dem Zustandekommen des in Washington unterzeichneten
israelisch-palästinensischen Grundlagenvertrags wird auf einer
Konferenz in Washington ein internationaler Geber-Mechanismus ins
Leben gerufen. 2 Milliarden Dollar (1,64 Mrd. Euro) werden dort an
Entwicklungssummen zugesagt. 1995 - Die Palästinenser-Behörde wird voller und gleichwertiger
Partner der Europäisch-Mediterranen Partnerschaft ("Barcelona-
Prozess") und profitiert von deren Finanzinstrument MEDA. MEDA bietet
Unterstützung für Maßnahmen im Rahmen von Wirtschafts- und
Sozialreformen zur Umsetzung des Interimistischen
Assoziierungsabkommens über Handel und Kooperation zwischen der EU
und der PLO. Die EU-Kommission stellt im Rahmen von MEDA 88,8
Millione Euro für Friedensprojekte bereit. 2000 - Nach Beginn des Zweiten Palästinenseraufstandes (Zweite
bzw. Al-Aksa-Intifada) stellt Israel seine vertraglich fixierten
Steuertransferzahlungen an die Palästinenser ein. Die EU springt mit
zusätzlichen 10 Millionen Euro pro Monat direkt ins palästinensische
Budget ein. Die Unterstützung der EU und anderer Geber verlagert sich
stärker vom langfristigen Institutionenaufbau hin zu humanitärer und
Flüchtlings- und Entwicklungshilfe. Damit sollen Stabilität und die
öffentliche Ordnung gefördert werden. 2002 - Die finanzielle Hilfe der EU für die palästinensischen
Gebiete seit 1971 beläuft sich mittlerweile auf 4,1 Milliarden Euro
(3,37 Mrd. Euro), teils auch in Form von Beihilfen und Anleihen.
Zwischen 1994 und 2002 unterstützten zudem die einzelnen
EU-Mitgliedstaaten die Palästinenser bilateral mit 2,5 Milliarden
Euro. Ende des Jahre nimmt Israel seine Transferzahlungen wieder auf. 2004 - Der palästinensische Präsident Yasser Arafat stirbt. Er
wird von verschiedenen Kreisen beschuldigt, in den 90er Jahren
Hunderte Millionen Dollar an der Staatskasse vorbei in seine private
Tasche geleitet zu haben. Schätzungen des Internationalen
Währungsfonds (IWF) gingen von bis zu 900 Millione Dollar aus (739
Mio. Euro) aus. 2005 - Rund 500 Millione Euro fließen aus EU-Staaten in die
Palästinensergebiete (289 aus dem Gemeinschaftsbudget, der Rest
bilateral aus einzelnen Mitgliedstaaten). Insgesamt wurden im Vorjahr
geschätzte 1,5 Milliarden Euro für Palästina aufgewendet. Die
EU-Staaten stellten also ein Drittel dieses Betrages bereit und waren
wie schon in den Jahren zuvor der größte Geldgeber. Die USA gaben 2005 nach Angaben des Außenministeriums in
Washington rund 380 Millionen Dollar (312 Mio. Euro) für verschiedene
Hilfsleistungen. Seit 1993 stifteten die Vereinigten Staaten 1,7
Milliarden Dollar (1,4 Milliarden Euro), die sowohl über die
Vereinten Nationen, über Nicht-Regierungsorganisationen oder auch
direkt an die palästinensischen Behörden flossen. Für 2006 haben die USA 244 Millionen Dollar an Hilfe für die
palästinensischen Gebiete im Staatshaushalt vorgesehen. US-Präsident
George W. Bush hat gedroht, den Palästinensern den Geldhahn
zuzudrehen, sollte sich die Hamas nicht von ihrem bewaffneten Arm
("Brigaden Ezzedin el Kassam") trennen. Auch die EU hat indirekt die
Fortsetzung der Zahlungen davon abhängig gemacht, dass sich die Hamas
der Friedenspolitik verpflichtet. Israel wiederum hat nach dem
Wahlsieg der Hamas die Überweisung von Steuergeldern an die
Palästinenser-Regierung in Frage gestellt. Damit droht den
Palästinensern ein dramatischer Engpass. Israel hebt für die
Regierung in Ramallah Zölle und Mehrwertsteuer ein und überweist
monatlich 40 bis 50 Millionen Dollar (32,6 bis 40,8 Mio. Euro). (APA)