Salzburg - "Wir werden die Wahrheit über Mozart nie erfahren, es ist unser selbst gemachtes Bild, das wir dafür halten. Nur das Werk birgt die Wahrheit. Den Menschen zu verstehen scheint unmöglich - so gelangen wir, wie bei vielen Künstlern, zu einer Art Doppelgängersicht." Das sagte Dirigent Nikolaus Harnoncourt, Artist in Residence der Internationalen Mozartwoche in Salzburg in seiner Künstlerrede beim Festakt zum 250. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart.

Am Festakt im Großen Saal des Mozarteums nahm vor allem nationale und Salzburger Prominenz teil: Bundespräsident Heinz Fischer mit Gattin, Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, der Salzburger Bürgermeister Heinz Schaden, Ex-Landeshauptmann Franz Schausberger und Erzbischof Alois Kothgasser. Auch der frühere deutsche Bundespräsident Roman Herzog war unter den Gästen. Für die musikalische Umrahmung sorgten die Wiener Philharmoniker unter Harnoncourt. Sie spielten ein Quartett und die g-Moll-Sinfonie KV 550. Seine Festrede bettete Harnoncourt zwischen 2. und 3. Satz des Werkes ein.

"Er kommt von einem anderen Stern"

"Mozart ist der Eigentliche, ist ungreifbar und unbegreifbar, er entzieht sich jeder Beurteilung. Wenn wir ihn erfassen wollen, müssen wir beschämt erkennen, dass unsere Elle nicht in sein Maßsystem passt - er kommt von einem anderen Stern. Ein Genie wie Mozart wird nicht, das ist - paff - wie ein Meteor aus dem Universum", so Harnoncourt, der auch schon in früheren Reden immer wieder darauf hinwies, dass der Mensch und der Künstler Mozart nicht unter einen Hut gehen. "Wie fast alle großen Künstler bleibt Mozart als Person rätselhaft, ja geradezu unheimlich. Man meint, alles über ihn zu wissen - sein Leben ist ja bestens dokumentiert - aber wenn man etwas über ihn sagen will, bemerkt man, dass man ihn überhaupt nicht kennt."

Heutige Kinder kennen keine Lieder mehr?

Harnoncourt kritisierte einen häufig nur ästhetisierenden und kulinarischen Umgang mit Kunst. "Man hört 'schöne' Musik, man sieht 'schöne' Bilder - aber man lässt sich lieber nicht von ihr erschüttern, oder gar umkrempeln. Mozart zwingt uns, in seelische Abgründe zu schauen und kurz darauf in den Himmel; vielleicht ein Griffel in der Hand Gottes", sagte der Dirigent und kritisierte, dass die Musik in den Bildungszielen - etwa in der Pisa-Studie - praktisch keine Rolle spiele. "Heute können die meisten Kinder nicht einmal mehr singen, weil sie nie dazu angeleitet wurden - sie wissen nicht, wie man die Töne formt - und sie kennen keine Lieder."

Falsch laufe auch der Umgang unserer Zeit mit Mozart: "Wir haben keinerlei Grund, stolz zu sein. Wir bieten Mozart unsere Jubiläen mit ihren Umwegrentabilitäten und Geschäften und lassen seine Töne zerstückelt aus allen Werbekanälen tropfen - das dürfte einfach nicht sein - das ist ein Skandal und eine Schande - wie kann man das tolerieren."

Fischer: "Österreich hat nicht nur Mozart sondern auch Eichmann hervorgebracht"

Bundespräsident Heinz Fischer wies in seiner Festrede darauf hin, dass der 27. Jänner nicht nur Mozarts Geburtstag, sondern auch der Tag der Befreiung von Auschwitz sei. "Österreich hat nicht nur Mozart, sondern auch Eichmann hervorgebracht, als Menschen, die astronomisch weit voneinander entfernt sind." Fischer forderte weiters ein, auch die moderne Kunst entsprechend zu pflegen und zu fördern. "Auch Mozart war einmal ein moderner, zeitgenössischer Komponist. Die heutige Moderne ist das kulturelle Erbe von morgen", so der Bundespräsident. (APA)