Der Wiener Daniel Spichtinger hat von September 2004 bis März 2005 ein Praktikum bei der europäischen Kommission absolviert. Für derStandard.at berichtet er über Eindrücke und Erfahrungen seiner Zeit in Brüssel.

Derzeit arbeitet er in Bonn bei empirica, einem privaten, international tätigen Forschungs- und Beratungsunternehmen als wissenschaftlicher Mitarbeiter.

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Als ich im September 2004 mein Praktikum in Brüssel antrat, konnte ich erstmal relativ wenig finden, was den Status dieser Metropole als "europäische Hauptstadt" gerechtfertigt hätte: die Gebäude hässlich, die Straßen schmutzig und in schlechtem Zustand und die öffentlichen Verkehrsmittel sowohl alt als auch überfüllt, von den überteuerten Mietpreisen für Zimmer ganz zu schweigen.

Foto: EPA/Olivier Morin

Hatte ich bei meiner Anreise also durchaus noch Bedenken, so wurde ich am ersten Arbeitstag erstmal von der schieren Zahl meiner KollegenInnen überwältigt: 600 Leute werden pro Semester auserkoren, das bezahle Praktikum bei den verschiedenen Dienststellen der europäischen Kommission zu absolvieren.

Und alle füllten bei der Einführungsveranstaltung das Auditorium einer Brüsseler Veranstaltungshalle, die extra für diesen Zweck angemietet worden war. Die Hauptfrage in den ersten Tagen lautete daher auch unermüdlich "Wie heißt du?", "Woher kommst du?" und "In welcher Generaldirektion arbeitest du?".

Foto: Costin Dan

Obwohl das sternförmige Hauptquartier der Kommission, das so genannte Berlaymont, wohl das bekannteste und meistfotografierte EU-Gebäude ist, findet die Arbeit der meisten Generaldirektionen (GDs) wo anders statt, nämlich über ganz Brüssel verstreut sowie in Luxemburg und in den Außenstellen der Kommission.

Als Praktikant der GD (Generaldirektion) Informationsgesellschaft&Medien fand ich mich an den Brüsseler Stadtrand versetzt. Je nach Abteilung und Vorgesetzten bekommen die Praktikanten recht unterschiedliche Arbeit zugeteilt, es handelt sich normalerweise um allgemeine Verwaltungsarbeit des höheren Dienstes.

Foto: Spichtinger

Ich selbst durfte bei einem Projekt zur besseren Kommunikation zwischen der GD Informationsgesellschaft&Medien und anderen relevanten EU-Akteuren mitarbeiten. Dieser Initiative namens "Information Society Policy Link" lag (und liegt) die Idee zugrunde, dass viel zu wenig bekannt ist, was die GD Informationsgesellschaft eigentlich tut – nämlich die Nutzung von Informationstechnologien in Europa zu fördern (z.B. in ländlichen Gebieten oder durch die Förderung der Verbreitung von Breitbandtechnologien).

Meine Aufgabe war es, geförderte EU-Projekte zu analysieren und die Ergebnisse in einem ersten Schritt zunächst anderen Generaldirektionen zu kommunizieren. So informierten wir zum Beispiel die Generaldirektion für Gesundheit und Konsumentenschutz über ein Datenbanksystem für Stammzellen, die Generaldirektion Umwelt über ein Frühwarnsystem für Umweltkatastrophen und die Generaldirektion für Kulturfragen über die Digitalisierung von Kulturgütern. Insgesamt wurden über 3000 Projekte analysiert und Themenbereichen zugeordnet.

Foto: Spichtinger

Praktikanten bei der europäischen Kommission dürfen sich auch selbst verwalten. Zu diesem Zweck wählen alle Praktikanten am Anfang jeder Trainingsperiode vier Leute aus ihrer Mitte die für den Rest des Praktikums als Ansprechpersonen dienen und im Rahmen des so genannten "Praktikantenkommitees", vielfältige Aktivitäten organisieren. So formierte sich eine Theatergruppe, Yogakurse wurden veranstaltet, Fußballmannschaften traten gegen einander an, eine Konferenz wurde organisiert (Menschenrechte und Immigration) und natürlich gab es nette Leute die uns Praktikanten ihre Nationalsprache näher brachten.

Foto: Spichtinger

Das Highlight der letzten beiden Monate sind die National Parties: verschiedene Länder tun sich zusammen und schmeißen zu einem Thema eine Party. Wer nun meint, der europäische Steuerzahler müsse dafür aufkommen der irrt: alle diese Aktivitäten müssen von den Praktikanten selbst organisiert und gegebenenfalls durch Eintrittskarten und/oder Sponsoren finanziert werden. Den Abschluss macht ein großer Ball der noch mal Gelegenheit bietet, das Praktikum Revue passieren zu lassen und Adressen auszutauschen.

Foto: Spichtinger