Nach ihrer Kandidatur bei den Präsidentschafts­wahlen ist Freda Meissner-Blau 1986 ein zweites Mal angetreten - um ein Häufchen Grün-Bewegter ins Parlament zu bringen. Im Gespräch mit Michael Völker erinnert sich Meissner-Blau an turbulente Zeiten und viele Enttäuschungen.

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STANDARD: Wählen Sie heute noch grün?

Meissner-Blau: Ja, doch, meistens.

STANDARD: Nur meistens?

Meissner-Blau: Mein Prinzip ist, Grün zu wählen. Es gibt aber Momente, in denen man aus politischen Überlegungen jemand anderen unterstützt.

STANDARD: Sie waren nur kurz Politikerin, sind nach zwei Jahren als Abgeordnete wieder abgetreten. Was hat Sie gestört?

Meissner-Blau: Die aktive Politik war in meinem Leben überhaupt nicht vorgezeichnet, ich hatte ganz andere Lebensvorstellungen. Das ist einfach über mich hereingebrochen. Es fing mit Hainburg an, dann aber vor allem mit der Kandidatur von Otto Scrinzi. Als Scrinzi bei den Bundespräsidentenwahlen antrat, habe ich die politische Notwendigkeit einer Gegenkandidatur - damals war die Waldheim-Sache noch nicht klar - eingesehen. Scrinzi hatte dann nicht einmal ein Prozent, ich hatte doch fünfeinhalb Prozent, was mich enttäuscht hat, aber angeblich sehr gut war, dafür dass wir kein Geld hatten und keine Partei im Rücken.

STANDARD: Da lag dann eine Kandidatur mit einer grünen Liste wohl nahe?

Meissner-Blau: Mir wurde damals erklärt, wenn ich Waldheim in eine zweite Runde, in die Stichwahl schicken kann, dann heißt das, dass wir auch ins Parlament kommen können. Für mich war die Sache jedoch mit der Präsidentschaftsgeschichte vorerst abgeschlossen, ich habe diesen Eselsweg beschritten und aus politischen Überlegungen kandidiert. Ich wollte mich eigentlich wieder anderen Dingen zuwenden.

STANDARD: Dann wurde Haider FPÖ-Chef, Vranitzky beendete die Koalition mit der FPÖ, und es gab Neuwahlen.

Meissner-Blau: Damals sagte man, meine Liebe, jetzt bist du bekannt, jetzt musst du vorangehen. Das habe ich eingesehen, zumal ich zu keinem dieser sich streitenden Flöhe in den verschiedenen Alternativ-und Grüngruppen sowie Bürgerinitiativen gehört habe. Ich stand draußen als Einzelperson. Da ist es mir gelungen, sie halbwegs zusammenzukriegen und zu einen, damit man gemeinsam ins Parlament kommt. Das hat dann auch funktioniert. Das war mein Ziel, eine vierte, aktive, junge, interessante und rebellische Gruppe im Parlament zu haben. Das Parlament war damals schon so erstarrt und so versteinert. Deshalb habe ich es gemacht, nicht um politische Karriere zu machen, sondern um diese Türe aufzumachen und die anderen reinzulassen.

STANDARD: Sie haben von vornherein gewusst, dass Sie sich von der aktiven Politik wieder zurückziehen wollen?

Meissner-Blau: Ich habe den Freunden damals gesagt, dass ich ein Jahr bleibe. Nach einem Jahr passierte der unselige Streit zwischen Buchner und Pilz und Fux. Wenn ich da gegangen wäre, wäre das ganze zerfleddert. Ich bin noch ein Jahr geblieben, als dann Geyer - er war damals mein Stellvertreter - großes Interesse hatte, den Klub zu übernehmen. Ich habe gefunden, die Jungen sollen vorangehen, sie sitzen am längeren Ast. Ich fand es schon richtig zu gehen. Dass Geyer dann vor Schreck auch ging, und Fux gleich mit, damit habe ich nicht gerechnet, das war eine gewisse Enttäuschung.

STANDARD: Die Grünen waren ein bunt zusammengewürfelter Haufen, da waren welche aus dem linken und extrem linken Lager dabei...

Meissner-Blau: Aber auch sehr rechts, denken Sie an Smolle und Co.

STANDARD: Wie ist es gelungen, an einem Strang zu ziehen?

Meissner-Blau: Das war sehr anstrengend, Nächte und Nächte der Verhandlungen. Damals hat ja noch Günther Nenning mitgemischt und alles noch ein bissl mehr durcheinander gebracht. Aber es ist in dem Moment gelungen, in dem die Parlamentsarbeit angefangen hat. Nur hatten wir uns das auch anders vorstellt. Wir waren ja blauäugig, ich zumindest. Ich habe geglaubt, wenn man gute Parlamentsarbeit tut und wirklich überzeugt die Herzen und die Köpfe aufbricht, dann wird man auch die Dinge durchsetzen können. Binnen eines halben Jahres habe ich kapiert, dass man nichts durchsetzt, das war auch ein Grund, warum ich gegangen bin. Die Dinge werden ganz woanders entschieden, im Parlament ist das eine bessere demokratische Alibibetätigung.

STANDARD: Aus dieser Anfangsphase der Grünen hat sich die Partei dann doch ins linke Lager entwickelt.

Meissner-Blau: Ach, was man in Österreich links nennt, ist doch nur hellrosa.

STANDARD: Heute bemühen sich die Grünen um Distanz zu beiden Parteien, streben eine Regierungsbeteiligung an und lassen es offen, ob lieber mit der SPÖ oder mit der ÖVP. Ist das eine Entwicklung, bei der Sie noch mitkönnen?

Meissner-Blau: Ich hätte schon meine Schwierigkeiten mit jemandem eine Koalition einzugehen, der die Grünen als Haschtrafikanten beschimpft hat und noch viel Schlimmeres. Da würde ich schon sehr zögerlich sein, mit so jemandem zu koalieren.

STANDARD: Eine Koalition mit der ÖVP würden Sie der Partei nicht unbedingt empfehlen?

Meissner-Blau: Nicht mit einer ÖVP unter Schüssel. Das ist nicht prinzipiell gegen die ÖVP. Da kommt es schon auf die politischen Konzessionen an, die man erreicht. Ich würde mir eine klarer strukturierte SPÖ wünschen. Natürlich war am Beginn Rot-Grün in meinem Kopf, das sage ich ganz ehrlich. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.1.2006)