Gustav Klimt: "Adele 1" (Teilansicht)

Foto: Österr. Galerie
ERSTER HERR: Des geht doch net, dass sich jetzt alle abputzen, der Staat, die ganzen Banken, die ganzen Mäzene ...

ZWEITER HERR: Vielleicht g'fallt's ihnen halt net ... ERSTER HERR: Da geht's net ums G'fallen, da geht's ums Prinzip. Mir haben doch immer g'sagt, mir san Antifaschisten und Patrioten ...

(Ein Kunde mit einem Lottoschein in der Hand verlässt augenzwinkernd das Lokal.)

ZWEITER HERR: Was grinst der so komisch?

ERSTER HERR: Wenn mir heut net den Jackpot knacken, sind die Büldln morgen weg, und übermorgen hängen s' in Moskau und Jerusalem - abwechselnd! Wüllst du des?

ZWEITER HERR. Wieso? Wo hängen s' leicht jetzt?

ERSTER HERR: Eh do bei uns wo im Dritten...

(Der andere Kunde, ebenfalls mit Lottoschein, klopft beim Hinausgehen dem zweiten Herrn auf die Schulter.)

ZWEITER HERR: Was greift der mich an? ERSTER HERR: Er hat dir gratuliert. Die Menschen haben ein feines Gespür für Gewinner.

TRAFIKANTIN: Der Nächste bitte...

ZWEITER HERR: Aber aa waunst jetzt g'winnst: In deiner Zimmer-Kuchl-Wohnung werden sich die Leut die Büldln nicht anschauen wollen...

ERSTER HERR: (durchsucht sein Portemonnaie) Des soll'n s' aa net. Wenn sie sich's anschauen woll'n, dann müssen sie's von mir z'rückkaufen zirka ums Doppelte...

TRAFIKANTIN (verärgert): Was is jetzt? Ein Tipp oder net? Hinter eich stehen s' scho Schlangen ...

(Sie drehen sich um. Menschen halten Zeitungsausschnitte von bekannten Gemälden in die Höhe. Man sieht Victory-Zeichen und brennende Feuerzeuge und viele freundliche Gesichter.)

ERSTER HERR: Lauter Antifaschisten...

ZWEITER HERR: ...und Patrioten...

TRAFIKANTIN: Und alle woll'n heut aa no an Lottoschein... (Walter Leitner, freier Autor in Wien, DER STANDARD, Printausgabe, 21./22.1.2006)