Konstantin Grcic

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Der Standard: Wohl kein Name eines deutschen Designers taucht derzeit international häufiger auf als Ihrer. Wie funktioniert diese Erfolgsgeschichte? Konstantin Grcic: Sie basiert auf einer Mixtur. Da war einerseits mein Job bei Jasper Morrison, dann bin ich an eine Firma namens SCP geraten, die damals, Anfang der 90er-Jahre, international sehr wichtig für diesen Trend der neuen Einfachheit war. Die haben erste Entwürfe von mir gleich auf die Messen in Köln und Mailand genommen. Der Standard: Das war's? Grcic: Noch nicht. Ich denke, damals vollzog sich so eine Art Generationenwechsel. Also die 80er-Jahre waren einfach vorbei, und obwohl ich während dieser Zeit studierte, war ich nie Teil davon. Mir war klar, dass meine Zukunft abgelöst von dieser Zeit sein musste. Der Standard: Und was war das Neue an Ihrer Arbeit? Grcic: Für mich war die Industrie enorm wichtig. In den 80ern gab es eine starke Haltung gegen die Industrie. Man suchte mehr persönliche Entfaltung. Objekte blieben oft Prototypen oder landeten in Galerien. Mich faszinierte immer Design, das mit industrieller Produktion und Technologie zu tun hat. In dieser Hinsicht kommt dann auch in Sachen Benutzung ein ganz anderer Anspruch zum Tragen. Was seriell hergestellt wird, muss anderen Anforderungen gerecht werden. Also diese Leier von Funktion interessierte mich immer nur sehr differenziert. Aber natürlich ist es relevant für das, was ich tue. Der Standard: Und doch gibt es da eine enge Verbindung mit der ,alten' Designwelt. Was nehmen Sie aus dieser Epoche mit? Grcic: Ich denke, Design hat in der Generation Castiglioni noch ganz anders funktioniert. Das war alles viel behüteter, und da gab es diese romantische Idee von Atelier und Experimentierlabor, der eigenen Arbeit, an der man rumtüftelt. Das ist ja heute oft gar nicht mehr möglich, weil die Zeiträume viel kürzer geworden sind und der Druck vom Markt viel stärker ist. Aber ich nehm schon was mit von dieser Romantik. Ich denke, mein Büro ist in gewisser Weise etwas anachronistisch im Vergleich dazu, wie Designbüros heute oft ausschauen, nämlich: wie Agenturen oder richtige Firmen. Wir sind immer noch so eine Art von Atelier. Der Standard: Über Ettore Sottsass sagten Sie einmal, dass er vielleicht mehr Künstler als Designer ist. Wann überschreitet ein Gestalter diese Grenze? Grcic: Ich meinte das natürlich durchaus positiv. Gutes Design hat für mich auch mit einer sehr persönlichen Handschrift zu tun. Genau das ist dann dieses künstlerische Element. Es geht um Autorenschaft und eigene Meinung, nicht nur Dienstleistung. Darin war Sottsass vielleicht stärker als Castiglioni, wobei ich den natürlich auch zu den Autorendesignern zähle, die natürlich auch in jeder Hinsicht professionell und kompetent in Sachen Aufgabenerfüllung sind. Darüber hinaus fließt auch eine gewisse Freiheit des Denkens ein. Der Standard: Ihr Kollege Werner Aisslinger sagte dem Autorendesign eine nicht gerade rosige Zukunft voraus. Die Ursachen dafür ortet er in den immer flacher werdenden Prozessen, der Übermacht des Marketings etc. Teilen Sie seine Meinung? Grcic: Ich denke, genau darin liegt die Chance des Autorendesigns. Die angesprochenen Gefahren schärfen ja auch das Bewusstsein für Qualität und Anspruch und Komplexität. Ich sehe da eigentlich keine Bedrohung. Beide Phänomene werden sich arrangieren. Der Standard: Gerade junge Designer haben diesbezüglich aber immer größere Bedenken. Grcic: Wie gesagt, ich glaube an eine große Chance. Allein schon deshalb, weil die Industrie heute Dinge ermöglicht, die früher kaum denkbar waren. Zum einen geht die Industrie in die Breite, also die Ziele lauten schneller, billiger, mehr, das ist eine Zukunft von Design. Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass die Industrie immer mehr ermöglichen kann, auch für den Designer. Das bedeutet auch, dass sich die Industrie von einer Standardisierung zu einer Individualisierung hin entwickelt. Also ich finde das spannend. Der Standard: Apropos Zukunft. Ross Lovegrove hat eine Designklasse an der Wiener Universität für angewandte Kunst übernommen. Ein Job, der Sie gereizt hätte? Grcic: Nein. Ich wurde diesbezüglich sogar angeschrieben, aber ich hab mich aus zeitlichen Gründen entschieden, derzeit keine Lehrtätigkeit anzunehmen. Für mich findet diese Lehre auch bei mir im Büro statt. Ich hab das Gefühl, dass ich gerade in dieser viel intensiveren Beziehung viel vermitteln kann. Lehrtätigkeit bedeutet für mich, dass man es Vollzeit macht. So Stippvisiten fände ich eher frustrierend. Die Studenten brauchen doch volles Engagement. Der Standard: Vor Ihrem Studium am Royal College of Art in London absolvierten Sie, ebenfalls in London, eine Tischlerlehre. Welchen Stellenwert geben Sie dem Handwerk heute? Grcic: Ich mag das Handwerk sehr gerne und finde es faszinierend. Handwerk wird es auch immer geben. Ich denke nur, dass sich die Form von handwerklichen Betrieben total ändern muss. Also dem mittelmäßigen Schreinerbetrieb gebe ich keine Zukunft. Die Industrie schöpft ja noch immer sehr aus der handwerklichen Erfahrung. Es gibt auch gewisse Projekte, bei denen ich als Designer dem Handwerk eine Rolle im Produktionsprozess geben möchte. Handwerk ist eine Datenbank an Erfahrung. Der Standard: Sie stellten vor Kurzem in Wien bei ,Designfunktion' Ihren Barhocker ,Miura' vor. Eine Hommage an den legendären Lamborghini? Grcic: Ja, schon irgendwie. Aber auch an eine berühmte Stierzucht in Spanien, oder an das Gebiss eines Hais. Das Möbel hat so was Animalisches. Der Standard: Wie würden Sie das Möbel einem Blinden beschreiben? Grcic: Barhocker bedeutet Sitzen auf Fast-Stehhöhe. Der Hocker ist so gebaut, dass man auch nur daran lehnen kann. Die Sitzfläche ist nach vorn hin abgeschrägt. Er zeichnet sich dadurch aus, dass die Sitzfläche nur an den vorderen beiden Ecken unterstützt ist und nach hinten auskragt und somit federt. Der Hocker steht auf vier Beinen, ist stapelbar, aus Kunststoff. Das sagt viel über Gewicht, Farbigkeit und Klang aus. Die Fußstütze ist auf eine Art gezahnt, sodass der Fuß nicht abrutschen kann. Außerdem hat er Charakter, denk ich. (Interview: Michael Hausenblas/Der Standard/rondo/20/01/2006)