Pionierin im Parlament: Auf dieser historischen Aufnahme vom 28. September 1988 war Marga Hubinek (VP) seit etwa zweieinhalb Jahren "Zweite Nationalratspräsidentin". Sie war die erste Frau, die in dieses Amt gewählt wurde.

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15 Jahre war der Präsident am parlamentarischen Thron primus inter pares. Erster unter Gleichen. Drei Männer unter sich – und dann das: "Jössas, a Weib!" entfuhr es dem langjährigen Präsidenten von Nationalrat und ÖGB, Anton Benya (SPÖ), als ihm im Jahr 1986 mitgeteilt wurde, dass die ÖVP unter ihrem damaligen Parteichef Alois Mock mit Marga Hubinek erstmals eine Frau für das Amt des Nationalratspräsidenten vorschlagen würde. Eh nur als "zweite" von drei. Aber immerhin, eine Männerbastion war erobert.

Am 19. Februar 1986 wurde die ÖVP-Politikerin angelobt. Eine zweite Frau rückte im selben Jahr ebenfalls in die Anzug-dominierte Arena der Politik: Freda Meissner-Blau kandidierte für die "Grünbewegung" bei der Bundespräsidentenwahl. Sie war die zweite, die sich traute.

Geteilte Ministerriege

1951 hatte Ludovica Hainisch-Marchet (parteilos) als weltweit erste Frau – verlacht und diffamiert – um das erste Amt im Staat gekämpft. Erfolglos. Wie alle Frauen, die bis jetzt in die Hofburg einziehen wollten. Dafür brüstet sich die schwarz-orange Koalition stolz mit "Halbe-halbe" auf der Regierungsbank. Diese Rechnung geht aber nur dann auf, wenn nur die Ministerposten gezählt werden. Rechnet man die Staatssekretäre dazu, ist das Ergebnis ernüchternd: 13 männliche Regierungsmitglieder, sechs weibliche.

Ist die Politik also jetzt halb voll mit Frauen oder noch immer halb leer? Die Politikwissenschafterin Sieglinde Rosenberger von der Universität Wien sagt dazu im Gespräch mit dem Standard: "Der Frauenanteil in der Politik ist kontinuierlich gestiegen. Bis 2000 ist der Anstieg frauenpolitisch zu erklären, vor allem initiiert durch die Grünen, aber auch durch die Quotendiskussion in der SPÖ. Ab 2000 verlagerte sich die Sichtbarkeit der Frauen vor allem auf die Regierungsebene."

"Das", relativiert Rosenberger die hohe Frauenquote unter Schwarz-Blau, "war aber kein Schub an Frauenpolitik, sondern eine rein strategische Entscheidung angesichts der damaligen Situation nach der umstrittenen Hereinnahme der FPÖ. Mit Frauen wurde diese Regierung weniger angreifbar." Susanne Riess-Passer, erste Vizekanzlerin Österreichs, kam de facto als Platzhalterin des nicht satisfaktionsfähigen FP-Chefs Jörg Haider in die erste Reihe.

Die feministische Politologin Claudia von Werlhof, die den Frauenforschungslehrstuhl an der Uni Innsbruck innehat, sagt zur "Halbe-halbe"- Frohbotschaft der Regierung: "Es gibt keine eigenständige Frauenpolitik. Die Frauen werden ,eingepasst‘, dass sie mitmachen dürfen. Aber was die machen, ist peinlich und schadet den Frauen."

Aber völlig uneigennützig wurden auch die ersten Pionierinnen nicht in hohe politische Ämter gehievt. Es war immer auch ein symbolträchtiger Akt der regierenden Männer, eine Frau zu holen. Die ÖVP war die erste, die mit Grete Rehor 1966 eine Frau zur Ministerin für Soziales machten. Die wirkliche Zäsur kam aber mit Bruno Kreisky, der vor allem im Jahr 1979 mit der Bestellung von vier Staatssekretärinnen für Aufsehen sorgte.

Sichtbar und entwertet

Johanna Dohnal – später erste Frauenministerin Österreichs – wurde für "allgemeine Frauenfragen" zuständig erklärt, Franziska Fast im Sozialministerium "für die berufstätige Frau". Damit wurde eine inhaltliche Latte gelegt, die seither nie mehr erreicht wurde.

Politologin Rosenberger, die in den 80er-Jahren "frauenpolitische Pionierarbeit in Europa" und in den 90ern "Stagnation auf Regierungsebene" sieht, resümiert die Frauenpolitik seit 2000 so: "Es gibt eine verstärkte Sichtbarkeit von Frauen in der Regierung bei gleichzeitiger Entwertung der Frauenpolitik auf inhaltlicher Ebene." Vielleicht war die kurzfristige Skurrilität einer männlichen Frauenministerin das trefflichste Symbol dafür. (Lisa Nimmervoll, DER STANDARD, Print, 18.1.2006)