Bagdad/Kerbala/Paris Die Gewalt im Irak reißt nicht ab: Allein am Donnerstag kamen bei einer Serie von Anschlägen, Überfällen und Schießereien mindestens 33 Menschen ums Leben. Der schlimmste Vorfall ereignete sich in Al-Latifiya nahe der schiitischen Pilgerstadt Kerbala, wo Bewaffnete elf Mitglieder einer schiitischen Familie in ihrem Haus umbrachten, nachdem sie sie gefesselt hatten. In Bagdad sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der Nähe eines Gebäudes des irakischen Innenministeriums in die Luft und riss dabei sechs irakische Polizisten mit in den Tod. Die Regierung in Paris forderte unterdessen nach der angedrohten Ermordung eines im Irak entführten Franzosen die "unverzügliche Freilassung" der Geisel.

Bei dem Überfall in Latifiya rund 55 Kilometer südlich von Bagdad fuhren die Angreifer nach Polizeiangaben mit zwei Wagen vor und stürmten in das Haus. Dort fesselten sie die sieben Männer und vier Frauen und erschossen oder erstachen sie anschließend. Nach der Darstellung des Polizeichefs stürmten die Angreifer drei Häuser von Schiiten und zwangen die Männer in einen Kleinbus, wo sie ihre Opfer umbrachten. Ursprünglich war vermutet worden, bei dem Überfall auf einen Kleinbus habe es sich um einen separaten Vorfall gehandelt. Die Schiiten-Familie sei schon früher von Bewaffneten bedroht und zum Verlassen der überwiegend von Sunniten bewohnten Gegend aufgefordert worden.

Zehn Tote bei US-Luftangriff auf Dorf

Bei einem Angriff der US-Luftwaffe auf ein Dorf im Nordirak sind nach US-Angaben zehn mutmaßliche irakische Bombenleger getötet worden. Die Vorfall habe sich am Dienstag in der Nähe der 50 Kilometer südwestlich von Kirkuk gelegenen Ortschaft Haujidscha ereignet, teilte das US-Militär am Donnerstag mit. Auf einem Routineflug hätten die Piloten an einer Hauptstraße Männer beim Eingraben von Bomben beobachtet.

Die Männer seien nach ihrer Entdeckung mit zwei Autos in das Dorf geflüchtet. Daraufhin hätten die Piloten zwei lasergesteuerte 225-Kilogramm-Bomben abgeworfen. Die beiden Autos seien zerstört worden, der Schaden an den umliegenden Gebäuden sei gering gewesen, erklärte die US-Armee.

US-Soldaten seien später in den Ort eingerückt und hätten Waffen, ein Maschinengewehr und Ausrüstung zur Herstellung von Bomben sichergestellt. Auch an der Stelle, wo die Männer zuerst entdeckt worden seien, hätten die Soldaten einen Sprengsatz gefunden.

Mindestens fünf Tote bei Explosionen nahe Verkehrsknotenpunkt

Bei zwei Explosionen im Zentrum von Bagdad sind am Freitag mindestens fünf Menschen getötet und zwölf weitere verletzt worden. Nach Angaben des irakischen Innenministeriums waren Autobomben die Ursache der Explosionen. Die Polizei vermutete jedoch, dass sie auch durch Werfergranaten ausgelöst worden sein könnten.

Die Explosionen ereigneten sich nach Angaben des Ministeriums nahe einem Nahverkehrsknotenpunkt, von dem aus Pendler in die überwiegend von Schiiten bewohnten Viertel Bagdads fahren.

Polizeichef von Saklawiya verletzt

In Saklawiya, 70 Kilometer westlich von Bagdad, wurde in der Nacht zum Donnerstag der örtliche Polizeichef lebensgefährlich am Kopf verletzt, als Unbekannte sein Fahrzeug beschossen. Nach Angaben der irakischen und der amerikanischen Armee starben bei Schießereien insgesamt vier Aufständische und zwei irakische Soldaten.

Im Osten Bagdads kam ein US-Soldat bei der Explosion einer Bombe um. Der Sprengsatz detonierte nach Angaben der US-Armee, als der Soldat auf einer Patrouillenfahrt im Osten der Hauptstadt war.

Frankreich fordert Freilassung von Geisel

Der französische Außenminister Philippe Douste-Blazy forderte unterdessen in Paris die sofortige Freilassung eines im Irak verschleppten Franzosen. "Es gibt keine Rechtfertigung für die Gefangenschaft von Bernard Planche." Frankreich habe keine Truppen im Irak stationiert. Die Entführer hatten in einem Video verlangt, Frankreich müsse seine "illegitime Präsenz" im Irak beenden. Die Gruppe, die sich nach Angaben des Fernsehsenders Al-Arabiya "Überwachungsbrigade für den Irak" nennt, ist nach französischen Angaben bisher nicht bekannt. Planche, der für eine regierungsunabhängige Organisation arbeitete, war am 5. Dezember vor seinem Haus in Bagdad verschleppt worden.

Am Donnerstag gab es neuerlich eine Entführung. Ein libanesischer Ingenieur wurde verschleppt. Das libanesische Außenministerium steht nach eigenen Angaben im Kontakt mit den irakischen Behörden, um die Freilassung des Mannes zu erreichen. Der Ingenieur ist der dritte Libanese, der derzeit im Irak in der Hand von Entführern ist. Insgesamt wurden bereits rund fünfzig Libanesen im Irak gekidnappt. Zwei von ihnen wurden getötet, die anderen gegen die Zahlung von Lösegeld wieder freigelassen.

Nach Terrordrohungen schloss das irakische Ölministerium unterdessen die größte Raffinerie des Landes. Tankwagenfahrer der Raffinerie in Beidschi hätten Todesdrohungen von Extremisten erhalten, sagte ein Ministeriumssprecher der Nachrichtenagentur Dow Jones. Die Raffinerie 250 Kilometer nördlich von Bagdad hat ihre Produktion bereits am Samstag unterbrochen. Sie lieferte täglich rund 140.000 Barrel Öl. Von den Produktionsausfällen ist vor allem Bagdad betroffen. (APA/dpa/Reuters)