In Wien haben die Freiheitlichen mit 15 Prozent die Grünen geschlagen – bundesweit werden sie sich aber schwerer tun. Das Ausländerthema, mit dem die FPÖ in Wien punkten konnte, hat in den Bundesländern viel weniger Bedeutung. Und die Grünen werden massiv dagegenhalten.

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Wien – Für die Grünen war es kein gutes Jahr. Bei einer wohlwollenden Interpretation könnte man sagen, sie sind auf der Stelle getreten. Die Landtagswahlen waren eine herbe Enttäuschung, besonders schmerzhaft war Wien: Trotz eines leichten Zugewinns auf 14,7 Prozent konnten die Grünen beim Duell um Platz zwei nicht wirklich mitmischen, sondern wurden wieder Vierte. Dann brach der Streit zwischen Realos und Fundis aus.

Derzeit bescheinigen Umfragen den Grünen solide elf Prozent, und das Wahlziel für 2006 heißt: endlich im Bund Dritte werden. Das heißt auch auf die Schwäche der FPÖ zu hoffen, die derzeit mit sieben Prozent deutlich hinter den Grünen liegt.

Für die Grünen ist es zwar entscheidend, sich in der Auseinandersetzung mit SPÖ und ÖVP zu profilieren und vor allem nicht im Match der Großen um Platz eins aufgerieben zu werden, Hauptgegner bleibt aber die FPÖ. Das fällt umso leichter, da nur die Grünen eine ganz klare Gegenposition zur Ausländer-raus-Politik der FPÖ einnehmen können, während sich die beiden Großparteien mit der Positionierung in der Ausländer- und Sicherheitspolitik schon wesentlich schwerer tun.

Die beiden anderen thematischen Hauptstoßrichtungen für den Nationalratswahlkampf sind die Armutsbekämpfung und die Umweltpolitik. Letztere wird von Vize-Chefin Eva Glawischnig getragen. Glawischnig will trotz des Babys, das sie erwartet, im Wahlkampf voll präsent sein. Sie soll auch die "leichte Schiene" von der Seitenblicke-Gesellschaft bis zur Women- Homereportage abdecken.

Hauptdarsteller bleibt aber der "Grüne Professor". Und wem es noch nicht aufgefallen ist: Alexander Van der Bellen ist angriffiger als früher, energischer, er haut gelegentlich sogar am Tisch – freilich nur verbal. Das ist durchaus Absicht der Partei, den Bundessprecher mit schärferen Konturen zu präsentieren.

Anbiederungen, wie ein möglicher Verzicht auf die Abschaffung der Studiengebühren oder die Stornierung des Eurofighter-Ankaufs, sollen den Grünen nicht mehr passieren. Auch in Koalitionsansagen wird Van der Bellen Vorsicht walten lassen, um die Grünen nicht in den Geruch eines Anhängsels einer der Großparteien zu bringen. Hier bleibt alles offen. Klar ist nur: nichts und nie und nimmer mit den Freiheitlichen.

Auch für diese war 2005 alles andere als gut – in krassem Unterschied zu ihrem Parteichef Heinz-Christian Strache, der sich vor einem Jahr wohl noch nicht vorstellen konnte, zum nächsten FPÖ-Neujahrstreffen (am 15. Jänner 2006 in Wels) als Bundesparteiobmann zu fahren.

Dabei sind die Muster, nach denen Strache agiert, in der FPÖ lange eingeübt. Manche fühlen sich an Jörg Haider 1986 erinnert, der die Partei nach Übernahme der Obmannschaft auf einen harten Oppositionskurs geführt hat, während die alte Führungsschicht mit Vizekanzler Norbert Steger an der Spitze weiter in der damals sozialistisch geführten Koalitionsregierung geblieben ist. Andere denken noch weiter zurück an Friedrich Peter, der in den Fünfzigerjahren die FPÖ vom nationalliberal geprägten Honoratiorenverein VdU abzunabeln versucht hat.

Beiden Mustern entspricht, dass ein weit gehender Austausch von Funktionären, Kandidaten und Wählern notwendig wurde. Wobei für Strache gilt, was schon für Peter und Haider galt: Der kleine, aber wohlhabende nationale Kern kann sich kaum zu einer anderen Partei hinwenden – ob er nun mit der FPÖ an sich zufrieden ist oder nicht.

Inhaltlich ist es ohnehin kaum ein Problem. Da hat sich für die FPÖ das Ausländerthema – verbunden mit Kritik an "denen oben" in Wien und Brüssel – zuletzt bei der Wien-Wahl als besonders zugkräftig erwiesen. In den Bundesländern wird es schwieriger sein, mit dem Phantom Ausländerangst Fuß zu fassen.

Schwieriger wird es auch für die Funktionäre: Aufgrund der Parteistatuten haben die (relativ vielen) Wiener FPÖ-Abgeordneten als Delegierte bei der Aufstellung von Kandidaten besonderes Gewicht. Strache kann daher durchgreifen – und zu den wenigen bundesweit bekannten FPÖ-Getreuen wie Barbara Rosenkranz noch junge Kandidaten eigener Wahl auf die Liste setzen. (Conrad Seidl/Michael Völker/DER STANDARD, Printausgabe, 29.12.2005)